Erinnerungszeichen

Vorbildfunktion

Eine respekt- und würdevolle Begegnung auf Augenhöhe ist für Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, eine nicht verhandelbare Größe, wenn es um den Holocaust geht. Stolpersteine, die als Erinnerungszeichen am Boden mit Füßen getreten werden und dem Straßenschmutz ausgesetzt sind, haben bei diesem Maßstab, den sich auch Oberbürgermeister Dieter Reiter und die große Mehrheit des Münchener Stadtrates zu eigen gemacht haben, keinen Platz.

Die Kultur des Erinnerns findet in der bayerischen Hauptstadt deshalb in Form von Stelen und Hinweistafeln an den ehemaligen Wohn- und Wirkungsorten der Schoa-Opfer statt. Nach Ingolstadt ist jetzt mit Oldenburg eine weitere Stadt hinzugekommen, die das Münchner Konzept im Vergleich zu den sogenannten Stolpersteinen für die weitaus bessere Lösung hält.

Darüber freut sich besonders Charlotte Knobloch, die hofft, dass sich noch mehr Städte diesem Schritt anschließen: »Es ist eine kluge und weitsichtige Entscheidung.«

»Das Gedenken muss viel stärker im Alltag erfahrbar sein.«

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch

Münchens IKG-Präsidentin, die selbst dem Holocaust nur durch glückliche Umstände entkam, ist mit Blick auf die vor drei Jahren initiierten Erinnerungszeichen überzeugt davon, dass gerade an der Schwelle zur »Zeit ohne Zeitzeugen« derartige Formen der Erinnerung notwendig sind. Das Gedenken müsse zukünftig noch »viel stärker im Alltag erfahrbar sein«.

grundpfeiler Die Bedeutung zentraler Gedenkveranstaltungen stellt Charlotte Knobloch keineswegs infrage. Sie ist aber davon überzeugt, dass das »Nie wieder« als gesellschaftlich-demokratischer Grundpfeiler nur dann erhalten bleiben kann, wenn es in der Mitte dieser Gesellschaft an vielen Stellen präsent ist. Mit den Erinnerungszeichen, so IKG-Präsidentin Knobloch, sei auch unter diesem Gesichtspunkt die beste Entscheidung getroffen worden.

Bei der Vorstellung des Erinnerungszeichen-Projekts in der vergangenen Woche machte Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann kein Geheimnis daraus, dass man vonseiten der Stadt vor allem auch dem Wunsch der Jüdischen Gemeinde nachgekommen sei, auf Stolpersteine zu verzichten und stattdessen auf das Münchner Modell zu setzen.

Kilian Stauss hat die Erinnerungszeichen, von denen schon mehr als 100 quer über München verteilt installiert wurden, in zwei Ausführungen entworfen. Es gibt sie als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – auch Fotos der Opfer.

In Oldenburg wird das Projekt von einer Bürgerstiftung mit Unterstützung der Stadt finanziert.

In Oldenburg wird das Projekt von einer Bürgerstiftung mit Unterstützung der Stadt finanziert. Die Entscheidung, die Erinnerung in dieser Form aufrechtzuerhalten und auf Stolpersteine zu verzichten, wird in München nicht nur von Charlotte Knobloch und der Israelitischen Kultusgemeinde begrüßt. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter nimmt dies wohlwollend zur Kenntnis. Er freue sich besonders darüber, dass die Oldenburger Erinnerungszeichen aus München stammen werden, sagte Reiter.

begegnung Sein niedersächsischer Amtskollege Jürgen Krogmann spricht von einer neuen Form des Erinnerns und der Begegnung. Er betont in diesem Zusammenhang, dass es sich dabei um mehr als nur einen symbolischen Akt handle: »Die Erinnerungszeichen teilen das Schicksal der Verfolgten und Ermordeten auf eine besonders ehrenvolle Weise in unserer Innenstadt.« Seinen Worten zufolge ist zudem eine Website geplant, die sich dem Leben und Wirken der Opfer widmen wird.

Nach der grundsätzlichen Entscheidung über die geeignete Form des Gedenkens wird das Projekt auch in Oldenburg konsequent umgesetzt. Noch in diesem Monat sollen sieben Erinnerungszeichen ins­talliert und der Öffentlichkeit übergeben werden, das erste am kommenden Montag. Aus diesem Anlass findet im Oldenburger Rathaus eine Gedenkveranstaltung statt, coronabedingt in kleinerer Runde. Neben dem Oldenburger Stadtoberhaupt und seinem Vorgänger ist auch die bayerische Landeshauptstadt präsent. In Vertretung von Oberbürgermeister Dieter Reiter nimmt Stadtrat Thomas Lechner die Aufgabe wahr.

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025

Hamburg

»Wir sind dran!«

Von Klimawandel bis jüdische Identität: Der Jugendkongress 2025 verspricht vier intensive Tage

von Florentine Lippmann  02.02.2025

Leer (Ostfriesland)

Schoa-Überlebender Weinberg will mit Steinmeier sprechen

Nach seiner Ankündigung, das Bundesverdienstkreuz abzugeben, hat der fast 100-jährige Zeitzeuge ein Gesprächsangebot des Bundespräsidenten angenommen

 31.01.2025

Berlin

Jüdische Stimmen zur Asyl-Abstimmung: Ein Überblick

Wie blicken Juden auf den Vorwurf, die CDU reiße die Brandmauer zur AfD ein? Wir haben uns umgehört

von Imanuel Marcus  30.01.2025

Bildung

Das beste Umfeld

Zwar beginnt das neue Schuljahr erst nach dem Sommer, doch schon jetzt fragen sich Eltern: Welche Schule ist die richtige? Gespräche mit Schulleitern über Wartelisten, Sprachniveau und Traditionen

von Christine Schmitt  30.01.2025

München

Fit fürs Finale

Beim Vorentscheid zum »Chidon Hatanach« in Jerusalem wurde wieder jede Menge religiöses Wissen abgefragt

von Luis Gruhler  30.01.2025

Rostock

Den Vorhang auf

Seit vielen Jahren gibt es in der Jüdischen Gemeinde eine Theatergruppe. Ein Besuch bei den Proben für »Kalif Storch« im Kulturhistorischen Museum

von Katrin Richter  29.01.2025

Dachau

Igor Levit für neue Instrumente der Erinnerungsarbeit

»Wenn man dieses »Nie wieder« ins 21. Jahrhundert übersetzen will, müssen wir uns gewaltig anstrengen«, so der Pianist

 29.01.2025