Justiz

Vorbild und Zionist

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch vor der Gedenktafel für Joseph Schäler Foto: StMJ

Zahlreiche Gäste aus der bayerischen Justiz und der Münchner Stadtgesellschaft nahmen vergangene Woche an der Gedenkveranstaltung zu Ehren des einstigen Oberamtsrichters Joseph Schäler im Ausbildungszentrum CampusJustiz München teil. Der so Geehrte war nicht nur ein erfolgreicher jüdischer Jurist in München, sondern auch der letzte gewählte Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) bis zu deren Auflösung durch die Nationalsozialisten 1943.

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich enthüllte gemeinsam mit IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und dem Holocaustüberlebenden Abba Naor eine Gedenktafel, die künftig an Schäler erinnern wird. Auch ein Saal des Zentrums wurde dabei nach ihm benannt. Insbesondere der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, hatte sich für diese Initiative eingesetzt. Der Historiker Reinhard Weber erläuterte in seinem Festvortrag ausführlich das Leben des engagierten Juristen.

Schälers Lebenslauf erweist sich mit dessen zielstrebiger juristischer Karriere als exemplarisch für viele jüdische Juristen seiner Zeit. Geboren 1885 in Fürth, studierte er Rechtswissenschaft in München und Erlangen, wo er 1907 promoviert wurde. Seinen Vorbereitungsdienst absolvierte er in Fürth und Nürnberg. Nach seiner zweiten Staatsprüfung war er ab Herbst 1912 für die Staatsanwaltschaft Nürnberg tätig.

Im Ersten Weltkrieg diente Schäler vier Jahre lang an der Front als Lazarett-Inspektor. Nach dem Krieg wurde er Amtsrichter in München und stieg bis zur Position des Oberamtsrichters auf. Sein Einsatz im Krieg bewahrte ihn in der ersten nationalsozialistischen Säuberungswelle 1933 noch vor der Entlassung, infolge der schärfer werdenden Verfolgung musste er jedoch im Dezember 1935 seine Tätigkeit als Richter aufgeben.

Seine beiden Kinder konnte er im Frühjahr 1939 durch einen Kindertransport nach England retten

In dieser Zeit setzte Schäler sich intensiv für die Israelitische Kultusgemeinde in München ein und war besonders in der Auswandererberatung in ganz Bayern aktiv. Nach der Pogromnacht im November 1938 wurde er für 15 Tage als sogenannter »Aktionshäftling« in Dachau gefangen gehalten. Seine beiden Kinder konnte er im Frühjahr 1939 durch einen Kindertransport nach England retten. Briefe belegen, dass er und seine Frau auch danach noch versuchten, aus Deutschland zu fliehen. Im März 1943 wurden beide jedoch nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Bei der Einweihung der Gedenktafel erinnerte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch auch an Schälers ehrenamtliches Engagement in der Leitung der Israelitischen Volksschule: »Sein vorbildhaftes Leben, sein beruflicher Erfolg und sein Einsatz für die Gesellschaft bedeuteten den Nationalsozialisten nichts«, so Knobloch. »Nicht seine Position als Richter und angesehenes Mitglied der Stadtgesellschaft, nicht seine Vaterlandsliebe.« Verfolgt worden sei er »aus einem einzigen Grund: weil er Jude war«.

Der Justiz komme deshalb eine zentrale Aufgabe zu

Knobloch, deren Vater selbst angesehener Jurist war, betonte die Rolle der Justiz als tragende Säule der Demokratie und des Rechtsstaats. Gerade in der aktuellen Situation sei dies besonders wichtig: »Angst gehört heute wieder zum Alltag jüdischer Menschen. Aber Antisemitismus hört nie bei jüdischen Menschen auf, sondern ist auch eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft.« Der Justiz komme deshalb eine zentrale Aufgabe zu. »Sie ist unabhängig, einzig dem Gesetz und unserer Verfassung verpflichtet – und gerade das ist ihre besondere Stärke«, so Knobloch.

Der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und Hausherr am CampusJustiz, Hans-Joachim Heßler, blickte in seinem Grußwort auf die juristische Karriere von Schäler zurück, die in der nationalsozialistischen Verfolgung ihr jähes Ende fand. Dass Schäler auch als Zionist in Erscheinung trat und vielen anderen bei der Auswanderung half, sei eine betonenswerte Besonderheit in seinem Lebenslauf, so Heßler: »Es zeigt, dass es für uns keine neutrale Haltung zu Israel geben kann. Gegenüber Antisemitismus in der Form der Existenzbedrohung Israels müssen wir immer besonders aufmerksam sein.«

»Angst gehört heute wieder zum Alltag jüdischer Menschen.«

Charlotte Knobloch

Das deutsche Richtergesetz sehe die nationalsozialistischen Verbrechen längst als Pflichtstoff für die Juristenausbildung vor. Dies sei richtig und wichtig, so Heßler. Junge Juristinnen und Juristen sollten besonders daran erinnert werden, dass »die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Gesetzesform gegossen war«. Dazu passte, dass auch zahlreiche junge Referendarinnen und Referendare an der Veranstaltung teilnahmen.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich bezeichnete Schäler als einen »Mann, der sein Leben in den Dienst des Rechts gestellt hat und selbst entrechtet wurde«. Eisenreich hob das umfangreiche Engagement Schälers für den juristischen Nachwuchs hervor. Der CampusJustiz sei als Ausbildungsstätte für Juristinnen und Juristen deshalb gerade der richtige Ort, um an Joseph Schäler zu erinnern.

Dabei, so Eisenreich, »dürfen wir nie in der Vergangenheit stehen bleiben. Hier und heute erleben wir eine weltweite Welle von Antisemitismus, Judenhass an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern«. Es sei gerade auch für die Justiz eine Verantwortung und Verpflichtung, dass jüdische Menschen sich in Bayern sicher fühlen.

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025