Für ihren Einsatz für Schoa-Überlebende während der Corona-Pandemie ist Noemi Staszewski mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Am 26. März verlieh Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Leiterin und Mitbegründerin des »Treffpunkts« der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) im Schloss Bellevue das Verdienstkreuz am Bande. Sie habe »mit ihrem Engagement entscheidend dazu beigetragen, dass die hochbetagten und häufig schwer traumatisierten Holocaust-Überlebenden in der Corona-Pandemie Unterstützung erfahren«, sagte Steinmeier.
Telefondienst »Um die Arbeit der Treffpunkte, die Holocaust-Überlebenden und ihren Familien einen Ort für Kontakt, Austausch und Beratung bieten, auch in der Corona-Pandemie fortzuführen, initiierte Noemi Staszewski einen Telefondienst, der die Betroffenen aus ihrer Isolation herausholt und über den Hilfe im Alltag organisiert werden kann«, hieß es weiter. In dem von ihr mitinitiierten Projekt »So schmeckt Schabbes« bereiteten Ehrenamtliche Drei-Gänge-Menüs zu, die vor dem Ruhetag kostenlos an die Bedürftigen ausgeliefert werden. Sie engagiere sich zudem seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich für die Erinnerungskultur.
Noemi Staszewski absolvierte noch Zusatzausbildungen für Psychodrama und Gestalttherapie.
Noemi Staszewski wurde 1954 in Ost-Berlin geboren und wuchs in West-Berlin auf. Sie durchlief eine typische jüdische Sozialisation, wie sie einmal sagte: Gemeinde, jüdisches Jugendzentrum, Zionistische Jugend. Da sie den Traum hatte, ein multikulturelles Jugendzentrum aufzubauen, ihre eigene Geschichte und Religion kannte, über das Christentum in der Schule erfahren hatte – sie besuchte eine katholische Nonnenschule –, habe sie Islamwissenschaft, Psychologie und Sozialpädagogik studiert, erzählte sie einmal.
Anschließend absolvierte Staszewski Zusatzausbildungen für Psychodrama und Gestalttherapie. Zusammen mit ihrem Mann, dem Arzt Schimon Staszewski sel. A., und ihren gemeinsamen vier Kindern zog sie 1986 von Berlin nach Frankfurt am Main. In der Praxis ihres Mannes, den sie in der Zionistischen Jugend kennengelernt hatte, arbeitete sie auch psychotherapeutisch mit.
Seminare Anfang der 90er-Jahre begann Noemi Staszewski, bei der ZWST zu arbeiten. Sie leitete zunächst das Pädagogische Zentrum, organisierte Seminare und entwickelte Konzepte für Lehrerfortbildungen. Bis 2012 war sie zudem Vorsitzende von Keren Hayesod in Frankfurt. 2016 wurde sie mit einer Arbeit über die Konzepte der psychosozialen Versorgung von Schoa-Überlebenden an der Frankfurter Goethe-Universität promoviert. Der Zentralwohlfahrtsstelle ist sie heute als »Senior-Berater« verbunden.
ZWST-Direktor Aron Schuster freute sich über die Ordensverleihung an Staszewski: »Die Auszeichnung ist mehr als verdient. Frau Staszewski war treibender Motor bei der Etablierung der psychosozialen Kontakt- und Begegnungsstätten (›Treffpunkte‹), die nach dem Pilotprojekt in Frankfurt mittlerweile an mehr als 25 Standorten bundesweit ausgebaut worden sind. Insbesondere während der Pandemie gelang es uns, über die Treffpunkte Schoa-Überlebende mobil weiter zu versorgen. Die Erfolge dieser Arbeit tragen maßgeblich ihre Handschrift«, betonte Schuster. »Noemis Engagement ist ein Glücksfall für die ZWST«, fuhr er fort.
Solidarität Neben Noemi Staszewski wurden vier weitere Frauen und ein Mann mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die Ordensverleihung stand unter dem Motto »Gelebte Solidarität«. Der Bundespräsident würdigte das besondere ehrenamtliche Engagement der Ausgezeichneten in der Corona-Pandemie: »So unterschiedlich Sie alle sind, Sie haben doch eines gemeinsam: Sie alle schauen nicht nur auf sich, Sie schauen auch auf andere. Sie setzen sich für andere ein. Sie helfen Menschen oder organisieren Hilfe. In der Pandemie leben Sie vor, was es heißt, zusammenzuhalten.«