Eigentlich wollte Hans Rosenthal immer, dass sein Sohn einmal Fußballer wird. Mehrmals versuchte der liebenswürdige Quizmaster, der mit seinem Ausspruch »Sie sind der Meinung, das war Spitze!« zu einer Fernsehlegende der alten Bundesrepublik wurde, den jungen Gert mit zum Training auf den Platz zu nehmen. Aber dem Jungen gefiel Feldhockey schlichtweg besser.
Knapp 30 Jahre, nachdem Dalli Dalli, die berühmte Rateshow seines Vaters, zum letzten Mal im Fernsehen ausgestrahlt wurde, nimmt Gert Rosenthal nun an den European Maccabi Games 2015 (EMG) teil. Mit 57 Jahren ist er das älteste Mitglied der deutschen Herrenhockey-Mannschaft.
»Es ist ein schaurig schönes Gefühl, hier anzutreten«, sagt Gert Rosenthal. »Schaurig allein wegen der Geschichte dieses Geländes. Auf der anderen Seite ist es aber auch schön, dass hier jetzt ein jüdischer Wettbewerb stattfindet, um zu zeigen: Wir sind hier, Deutschland steht hinter uns, die Regierung steht hinter uns, es ist schön, hier zu leben, und wir sind akzeptiert und angekommen.« Er hält kurz inne und entschuldigt sich dann. Er eilt zum Aufwärmen auf den Platz, denn in ein paar Minuten steht das Auftaktspiel der Hockey-Herren gegen den Konkurrenten aus Israel an. Für das Bier danach hat man sich bereits verabredet.
Training Am Dienstagmorgen, wenige Stunden vor der lang herbeigesehnten Eröffnung der EMG in der Berliner Waldbühne, herrscht auf dem Gelände des Olympiaparks schon wuseliges Treiben. Auf einigen Plätzen machen sich Sportler warm für die Trainingseinheiten, für andere wiederum wurde es schon am Montag, noch vor der offiziellen Eröffnung der Spiele, richtig ernst. Außer den Hockey-Teams starteten auch Futsal, Fußball und Tennis bereits in die Wettkämpfe.
Irgendwo dreht aber auch ein Rasenmäher noch seine letzten Runden, um das Grün optimal auf die Europäischen Makkabi-Spiele vorzubereiten, während Sicherheitsleute Absperrzäune hin- und herräumen.
In diesem Schwebezustand zwischen Abschluss der Vorbereitungen und offiziellem Auftakt der Veranstaltung läuft noch nicht alles rund, das ist ganz normal. Ein kurzer Funkspruch von einem der Checkpoints an den Leiter der Sicherheit: »Sag mal, hier stehen jetzt zwei Herren von der Presse, die haben nicht solche großen Ausweise wie die Teilnehmer, sondern so kleine EC-Karten-förmige Dinger. Ist das trotzdem okay? Kann ich die durchlassen?« Kurzes Rauschen, ratlose Blicke. Man darf passieren. Das ist der Spagat zwischen Sicherheit und Offenheit, von dem Organisationschef Oren Osterer gesprochen hat.
Für den ersten rollenden Ball der Spiele sorgen die Futsal-Spieler im Horst-Korber-Sportzentrum, doch sie zahlen dafür einen hohen Preis: Um 8.30 Uhr ist Anpfiff, das heißt, Abfahrt punkt sechs Uhr morgens vom Hotel Estrel. Eine »grausame Uhrzeit«, findet auch Jordan Mundell, einer der Flügelspieler der Australier. Die amtierenden Champions besiegen die finnischen Herausforderer dennoch souverän mit 7:1. Nicht hoch genug, findet Jordan: »Wir hätten eigentlich 15 Tore schießen müssen.« Die Aussies gelten neben Israel und Litauen als stärkstes Team unter der Futsalern. Trotzdem, ein recht ansehnliches Tor gelingt Jordan mit seinem Schlenzer zum 3:0 in die kurze Ecke des finnischen Torhüters. Bestaunt wird sein Treffer vorrangig von den Mitgliedern der anderen Teams – Fans haben sich zu dieser frühen Stunde noch fast gar nicht in die Halle aufgemacht.
Hockey Etwas voller sieht es da schon im Hockey-Stadion aus. Zu Beginn spielen dort die Damen aus dem Team Holland gegen Argentinien. Unterstützt werden sie dabei von einem lautstarken Block in Oranje, bestehend aus den niederländischen Hockey-Herren und den Fußballerinnen. Sie haben Musik mitgebracht und eine riesige Tröte. Immer wieder schallen »Holland, Holland«-Sprechchöre über den Platz. Wenn Holländer irgendwo im Sport gegen andere Nationen antreten, werden sie dabei bunt und laut von anderen Landsleuten unterstützt – das gilt offenbar auch für die Maccabi Games. Es scheint zu wirken: Holland gewinnt 3:0. Sonst ist es aber auch hier eher noch recht ruhig, was das Fanaufgebot angeht: Die meisten Zuschauer stehen in irgendeiner Beziehung zu einem der Athleten.
Miri, Levy und ihre Mutter Elene sind gekommen, um Vater und Ehemann David Combé anzufeuern, der mit den deutschen Hockey-Herren gegen Israel antritt. Der vierjährige Levy hat seinem Vater schon einige Male beim Hockey zugesehen, aber das große Stadion im Olympiapark gefällt ihm da deutlich besser als die kleinen Hallen, in denen sie sonst spielen. Deshalb ist er auch überzeugt, dass am Ende alles glatt gehen wird: »Papa macht mindestens sieben oder acht Tore«, schätzt Levi.
Auch Oliver Heun, Trainer des deutschen Hockey-Teams, sieht seine Herren ein bisschen im Vorteil: »Die Israelis sind eine Wundertüte, aber das sind wir auch. Ich sehe uns trotzdem eindeutig im Vorteil. Wir haben zwar weniger Spieler zur Auswahl, dafür aber einige, die in Deutschland schon in den oberen Ligen mitspielen.« Am Ende behält er Recht. Deutschland besiegt die Israelis souverän mit 4:0.
Mexiko Auch auf anderen Plätzen läuft es schon recht gut für die deutsche Makkabi-Auswahl. Im Fußball der Herren gewinnt Deutschland, nach anfänglichen Schwierigkeiten, knapp gegen Mexiko mit 2:1.
Für die deutschen Damen im Feldhockey, wurde es dann am Nachmittag ernst. Für sie ging es gegen die USA, die zum Feld der Favoritinnen gehören. Rebekka Landshut, ehemalige Hockey-Nationalspielerin und Kapitänin des Teams, war vor Spielbeginn erst einmal froh, dass das Team überhaupt in dieser Disziplin antreten konnte. »In Deutschland sind die Regularien zur Teilnahme viel strenger. Deshalb waren wir froh, dass wir überhaupt eine Mannschaft zusammenbekommen haben.«
Der Grund? »In Deutschland muss man einen kompletten Nachweis darüber erbringen, dass man jüdisch ist«, erklärt Landshut, »und zusätzlich auch in einer Gemeinde gemeldet sein – in den Niederlanden dagegen reicht es, wenn der Großvater jüdisch ist.« Mit 4:1 konnten auch die deutschen Hockey-Damen zum Auftakt der EMG ihren ersten Sieg verbuchen – nur wenige Stunden vor dem offiziellen EMG-Beginn.