München

Von Schuldgefühlen und Dämonen

Schauspielerin Lea Kalisch kam zur Filmvorführung. Foto: vauel

München

Von Schuldgefühlen und Dämonen

Die 14. Jüdischen Filmtage zeigen mit »The Vigil – Die Totenwache« einen Film zwischen Horror und Trauma

von Ellen Presser  28.03.2023 21:26 Uhr

Der Spielfilm The Vigil – Die Totenwache funktioniert am besten auf Horrorfestivals und Jüdischen Filmtagen. Doch wer sich nur gruseln will, kommt nur bedingt auf seine Kosten. Denn es geht um viel Tiefgründigeres: die Überlebensschuld eines verstorbenen alten Juden und die Schuldgefühle eines jungen »Schomers«, der den Toten bis zur Abholung durch die Chewra Kadischa bewachen und durch Gebete die Loslösung der Seele vom Körper erleichtern soll.

Doch ein Masik, wie man im Hebräischen einen Dämon nennt, macht dies nahezu unmöglich. Regisseur Keith Thomas, der seine Diplomarbeit über Monster und Dämonen im jüdischen Volksglauben verfasste, baute überzeugend zwei Traumata ein, ein Tötungsdelikt während der Schoa und ein Hassverbrechen an einem chassidischen Jungen in New York. Ein Schuss unter Zwang, eine unterlassene Hilfeleistung, das Gefühl versagt zu haben, führt in die größte Pein, denn die wahren Monster schafft der Mensch selbst und kann sie deshalb auch nur selbst vertreiben.

williamsburgh The Vigil entstand 2018 in Williamsburgh, in Borough Park, einer New Yorker Enklave des chassidischen Judentums. Chassidim kamen zum Drehort, informierten Passanten, dass und was gedreht wurde; ins Kino gehen, wäre ihnen nie in den Sinn gekommen.

Zur Filmvorführung im Jüdischen Gemeindezentrum war Lea Kalisch eingeladen. Die Schauspielerin und Sängerin erzählte über die Dreharbeiten zu diesem Low-Budget-Film. Die kleine Eingangsszene, in der sie mitspielte, eine Runde junger Leute, die, mit Hilfe eines Therapeuten, aus der Orthodoxie aussteigen will, dauerte 13 Stunden, bis sie im Kasten war.

Es gab nur zwei Drehorte, dieses Apartment, und das Wohnhaus, in dem der Verstorbene ruht und seine Witwe herumgeistert, berührend verkörpert von Lynn Cohen, die 2005 von Steven Spielberg in dem Drama München als Golda Meir besetzt wurde und zwischen 2000 und 2010 immer wieder Auftritte in Sex and the City hatte. Fred Melamed ist einem bekannt aus sieben Filmen von Woody Allen zwischen 1986 und 2002.

jiddisch Unter den jüdischen, Jiddisch sprechenden Darstellern begegnet man sich bei Sprechrollen im Theater und Film immer wieder. Lea Kalisch bedauert, dass der Film in der deutsch synchronisierten Fassung Jiddisch nur mehr dem Darsteller Menashe Lustig zubilligt. Dabei hatte sie wie auch die anderen jungen »Aussteiger« fast ausschließlich Jiddisch gesprochen, die Sprache der Welt, die sie verlassen wollten.

Lea Kalisch, die Anfang dieser Woche als »Rebbetzin Lea« beim Yiddish Culture Festival in Wien gastierte, lernte am Jiddischen Theater viele Leute kennen, die Jiddisch sprechen und ihr Bühnenleben mit chassidischer Lebensweise in Einklang bringen. Wie auch Menashe Lustig, der 2018 Hauptfigur des Films Menashe war. Hier will er als Reb Shulem den Schomer Jakov, gespielt von Dave Davis, zum traditionellen Judentum zurückführen. Die Totenwache trägt jedoch dazu bei, dass der junge Mann am Morgen das Spukhaus als Befreiter verlässt.

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Kaiserslautern

»Jetzt beginnt etwas Neues«

Mehr als fünf Jahre hat sich die Sanierung des Gemeindehauses der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz in Kaiserslautern hingezogen. Am Sonntag wurde das Zentrum mit der neu gestalteten Synagoge seiner Bestimmung übergeben

von Joachim Schwitalla  11.04.2025 Aktualisiert

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Erinnerungen

Als Charlotte Knobloch ihren ersten Kaugummi aß

Als jüdisches Mädchen überlebte sie die Nazizeit in einem Versteck, bis die Amerikaner ins Dorf kamen. Für Charlotte Knobloch ist das Kriegsende mit süßen und dramatischen Erinnerungen verbunden

 11.04.2025

Pessach

Lang, länger, Seder

Schnell mal eben feiern? Von wegen. Für den ersten Abend muss man sich Zeit nehmen – warum eigentlich? Und wie kommen alle gut unterhalten bis zum Afikoman? Wir haben nachgefragt

von Katrin Richter  11.04.2025

Pessach

Kraft und Zuversicht

Das jüdische Volk war von jeher stark und widerstandsfähig – wir werden auch die Herausforderungen der heutigen Zeit bestehen

von Charlotte Knobloch  11.04.2025