Es riecht noch nach frischer Farbe, und alles sieht auffällig neu aus. »Wir haben die Praxis erst seit Anfang April offiziell, und trotzdem herrscht bereits reger Hochbetrieb«, berichtet Gal Goldstein nicht ohne Stolz. »Selbstverständlich ist die Corona-Krise ebenfalls ein großes Thema für uns«, sagt der 1981 in Kfar Saba geborene israelische Mediziner. Kein Wunder, denn zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Infektiologie. »Unabhängig davon sind wir aber auch eine ganz normale Schöneberger Hausarztpraxis«, sagt Goldstein.
Aufgrund der aktuellen Situation haben sein Team und er in den Räumen in der Maaßenstraße sofort zusätzliche spezielle Corona-Sprechstunden eingerichtet. »Zweimal am Tag kommen Patienten, die sich testen lassen wollen und Rat suchen«, beschreibt Goldstein die Abläufe. »Und zwar immer mittags zwischen 12 und 13 Uhr sowie am frühen Abend zwischen 18 und 19 Uhr.«
MUNDSCHUTZ Geradezu generalstabsmäßig ist das Prozedere organisiert. »Ich habe ein eigenes Isolationszimmer eingerichtet, in dem wir die Patienten dann untersuchen und einen Test machen«, sagt der Internist. Aber mal eben spontan vorbeischauen, um zu checken, ob man möglicherweise Covid-19-positiv ist oder nicht, wäre keine gute Idee.
Es gibt klare Regeln und Abläufe – allein schon deshalb, weil die Test-Kapazitäten wie überall begrenzt sind. Am Anfang steht daher immer das Telefongespräch und damit eine erste Einschätzung.
»Wir haben eine ganze Palette an Fragen, die uns einen Überblick darüber verschaffen sollen, ob die Person in Kontakt mit anderen Infizierten stand, vielleicht erhöhte Temperatur hat oder erst kürzlich von einem Aufenthalt im Ausland nach Berlin zurückgekehrt ist«, beschreibt Goldstein den Ablauf. Denn erst, wenn konkrete Verdachtsmomente bestehen, wird auch ein Termin vereinbart.
INFEKTION Von den rund 20 Patienten, die sich in den ersten beiden Tagen nach der Praxiseröffnung haben testen lassen, gab es bis dato noch keinen einzigen bestätigten Fall einer Coronavirus-Infektion. Im Regelfall liegt das Ergebnis bereits nach 24 Stunden vor. »Nicht wenige haben jetzt Angst. Deshalb geht es in den Gesprächen am Telefon oftmals erst einmal darum, die Leute zu beruhigen«, erklärt der Arzt.
»Nur ein einzelner Patient darf die Praxis jeweils betreten«, sagt Goldstein. »Möglichst immer mit Mundschutz.« Wenn die Person keinen eigenen Mundschutz bei sich hat, bekommt sie am Eingang einen gestellt. Gleiches gilt für Gummihandschuhe. Mitarbeiter bringen sie dann direkt in das Isolationszimmer – schließlich sollen alle unnötigen Bewegungen oder gar Kontakte in den Praxisräumen vermieden werden. »Und dieses wird nach jeder einzelnen Untersuchung gründlich desinfiziert«, sagt Gal Goldstein.
Es gibt sogar ein Isolierzimmer – und spezielle Corona-Sprechstunden.
Materialien, bei denen es sich nicht um Einwegprodukte handelt, wie zum Beispiel Fieberthermometer, werden ebenfalls sterilisiert. »Darüber hinaus haben wir einen Fragebogen auf Deutsch, Englisch und Hebräisch verfasst, über den wir ebenfalls eine erste Einschätzung des Patienten und der Risiken, denen er vielleicht ausgesetzt war, vornehmen können.« Denn nicht alle seiner Patienten sprechen ausreichend Deutsch.
MULTIKULTI Abgesehen von den zwei Corona-Sprechstunden unterscheidet sich der Praxisalltag bei Gal Goldstein eigentlich wenig von dem anderer Ärzte in Berlin. Bei den Patientengruppen gibt es jedoch einige bemerkenswerte Unterschiede. »Vor allem die Israelis, die in Berlin leben, kommen gerne zu mir«, erzählt Goldstein. »Das geschieht zumeist über persönliche Empfehlungen.«
Mitarbeiter der israelischen Botschaft gehören ebenso dazu wie Touristen aus Tel Aviv oder Haifa. »Nicht nur die Tatsache, dass ich Hebräisch spreche, ist dabei von Vorteil. Israelis haben eben manchmal auch andere Erwartungshaltungen im Umgang mit einem Arzt. Auf diese kulturell bedingten Unterschiede kann ich entsprechend reagieren und so Vertrauen aufbauen«, erklärt Goldstein.
In der Praxis wird neben Deutsch, Englisch und Hebräisch auch Russisch, Kurdisch, Arabisch, Türkisch und Ungarisch gesprochen.
Selbstverständlich sind Israelis nur eine Gruppe unter vielen, die den Weg in die Praxis finden. »Mein Team zählt elf Mitarbeiter, die alle einen ganz unterschiedlichen Hintergrund haben«, sagt der Mediziner. Kommt es einmal zu Kommunikationsproblemen mit Patienten, kann schnell Abhilfe geschaffen werden. »In der Praxis wird neben Deutsch, Englisch und Hebräisch auch Russisch, Kurdisch, Arabisch, Türkisch und Ungarisch gesprochen.«
Darüber hinaus ist Goldstein mit zwei Arztpraxen in Tel Aviv sowie einer in Budapest vernetzt. »Mein Traum war immer schon eine eigene Multikulti-Praxis in Berlin mit Kollegen aus vielen Ländern«, beschreibt er sein Anliegen. Genau dies scheint jetzt für ihn wohl wahr geworden zu sein.
STRESSTEST »Einen Großteil meiner Patienten kenne ich bereits aus früheren Tätigkeiten«, sagt Goldstein. Denn von 2014 bis 2017 hat er als Arzt im Jüdischen Krankenhaus gearbeitet. Daran erinnert er sich gerne. »Das war vielleicht meine beste Zeit. Allein schon deshalb, weil der ärztliche Direktor, Professor Graf, mir gegenüber wie ein Vater auftrat.«
Was dann folgte, waren mehrere Praxisgemeinschaften. Und nun also der Schritt in die Unabhängigkeit – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die Welt auf den Corona-Krisenmodus umschaltete.
Nicht nur für die Gesundheitssysteme sei das ein Stresstest. »Auch für eine Arztpraxis, die in Berlin gerade neu an den Start gegangen ist«, so das Fazit von Goldstein. »Aber es läuft alles wirklich reibungslos und nach Plan.«