Dicht gedrängt und erwartungsvoll saßen die Gäste bei der Buchvorstellung von Entrechtet, beraubt, verfolgt, ermordet. Jüdische Familienunternehmer in Hitlers München, recherchiert und geschrieben von Andreas E. Mach. Auf die gedruckte Version müssen sie indes noch warten. Verantwortlich dafür ist die allgemeine Papierknappheit.
Andreas E. Mach entstammt selbst einer süddeutschen Unternehmerfamilie in fünfter Generation. Er ist Gründer und Sprecher des internationalen Familienunternehmernetzwerks Alphazirkel. Bei einer Podiumsdiskussion dieses Zirkels entstand 2019 die Buchidee zu den Lebens- und Leidenswegen jüdischer Familienunternehmer in »Hitlers München«.
spurensuche Nach der dreijährigen Spurensuche nach Geschichten jüdischer Unternehmerpersönlichkeiten in München, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten einen wesentlichen Beitrag zur Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft leisteten, liegt heute diese Arbeit vor. Sie versteht sich als Teil der Stadtgeschichte im Kontext der dunkelsten Jahre Deutschlands.
Die Namen dieser Unternehmer sind heute weitgehend vergessen, obwohl man an den bedeutenden Gebäuden, die sie errichteten, ahnungslos vorübergehe, wie Mach in der Einladung zu der Veranstaltung betonte. Wachsender Antisemitismus und Geschichtsvergessenheit seien die Motivation, die Geschichten der jüdischen Unternehmer aus Hitlers München zusammenzutragen und an die Namen und Leistungen dieser Familienunternehmer zu erinnern.
Die Namen dieser Unternehmer sind heute weitgehend vergessen, obwohl man an den bedeutenden Gebäuden, die sie errichteten, ahnungslos vorübergeht.
Für das Vorwort zum Buch konnte Mach Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gewinnen. Bei ihrer Einführungsrede betonte sie, das Buch sei ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte, der zur richtigen Zeit komme. Der Titel Entrechtet, beraubt, verfolgt, ermordet beschreibe sehr präzise das Schicksal vieler Juden – und auch der einst so zahlreichen Familienunternehmer in München.
unrechtssystem Die Charakterisierung der Stadt als »Hitlers München« wollte Charlotte Knobloch noch ein Stück weit ergänzen: »Hitler hatte zwar eine besondere Bindung zur sogenannten Hauptstadt der Bewegung – aber das Unrechtssystem, das jüdischen Menschen mehr und mehr die Luft zum Atmen nahm, beruhte nicht auf ihm allein. Die ganze Bevölkerung – das, was wir heute die Stadtgesellschaft nennen würden – war daran beteiligt, entweder durch mangelnden Widerstand oder durch aktive Teilnahme am Raub und an der Verfolgung der jüdischen Nachbarn. Warum so viele zugesehen, geschwiegen und hinterher nichts gewusst haben wollen, muss wohl daran gelegen haben, dass sie von der Auslöschung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben profitierten.«
Mach konnte Knobloch, die als Kind viel von den Verbrechen und dem Terror des Naziregimes miterlebt und mit erlitten hatte, auch für ein Zeitzeugengespräch gewinnen. Aus der Familiengeschichte berichtete an diesem Abend auch Konrad O. Bernheimer mit den Erinnerungen eines alten Münchners, seines Großvaters Otto Bernheimer. Aus den im Buch zusammengestellten Schicksalen las die Schauspielerin Sunnyi Melles.
Besonders berührend war der Brief, den Rachel Salamander vortrug. Vor einigen Jahren war ein junges Mädchen zu ihr gekommen – mit einem Schreiben ihrer Großmutter Lotte Bamberger, der Ehefrau des Kaufmanns Fritz Bamberger. Sie hatten sich in die USA retten können, der englische Brief sollte den Nachkommen ihr Schicksal in Nazi-Deutschland verdeutlichen. Angst war darin das vorherrschende Thema.
»Heute bekommst du deinen Pass nicht« – dieser fast tägliche Satz zeigt die Willkür der Machthaber, die bis zum letzten Moment anhielt, auch auf der Fahrt in Richtung Schweiz. Erst als die Grenze in St. Margarethen passiert war, löste sich die Angst – und wurde zugleich besonders bewusst.