Reformsynagoge Berlin

»Von ganz besonderer Bedeutung«

Es war der bekannte litauisch-jüdische Erzähler Icchokas Meras (1934–2014), der in einem seiner Romane, die mich in den 70er-Jahren beeindruckten, formulierte: »Wenn der Mensch auf etwas wartet, dann wartet er gewiss nicht vergeblich, nur muss er zu warten verstehen.« Daran fühlte ich mich erinnert, als ich Anfang Juni die Möglichkeit erhielt, an einer Führung auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge der Reformgemeinde teilzunehmen, um das anzusehen, was dort ausgegraben worden war.

Es waren zwar »keine architektur- oder ritualabbildenden Baureste oder Funde«, wie die zuständige Archäologin Karin Wagner vom Landesdenkmalamt erklärte, dennoch aber sind die Funde für das Centrum Judaicum von ganz besonderer Bedeutung.

Johannisstraße Um das Jahr 1988 erhielt ich von Klaus J. Herrmann (1929–1998), damals Professor an der Concordia University Montreal in Kanada, eine Fotoserie mit Aufnahmen, die laut Herrmann die Zerstörung der Innenräume der Synagoge in der Johannisstraße während der Novemberpogrome dokumentieren. Herrmann hatte diese Aufnahmen vom einstigen Sekretär der Jüdischen Reformgemeinde, Bruno Woyda (1900–1976), erhalten. Er, so Herrmann, habe sie aufgenommen. Ob aber wirklich alle aus der Johannisstraße stammten, war fraglich; es fehlte ein letzter Beweis.

Dennoch entschloss ich mich, die Fotos in der Ausstellung »Und lehrt sie: Gedächtnis!«, jener Schau zum Gedenken an die Pogrome 50 Jahre zuvor, die am 16. Oktober 1988 im Ephraim-Palais eröffnet worden war und die bis zum 11. Dezember 1988 über 60.000 Besucher hatte, auszustellen. Auf einem der Bilder – es wurde im entsprechenden Begleitband publiziert – war eine auf den Fußboden geworfene Büste von Rudolf Mosse zu sehen. Der Verleger und seine Familie waren wesentliche Förderer der Reformgemeinde. Während der Besichtigung der Grabungsstätte im Juni 2016 wurden uns von den Archäologen kleinere Funde gezeigt.

gemeinde Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich diverse mir vertraute Fußbodenfliesen sah. Es waren genau die, die ich von dem eben beschriebenen Bild kannte. So sind nun die Fotos eindeutig der Reformgemeinde in der Johannisstraße zuzuordnen. Einige Fliesen sind inzwischen dem Centrum Judaicum überlassen worden, zusammen mit anderen Fundstücken – einer repräsentativen Auswahl von in der Synagoge verbauten Materialien. Derzeit ist das Centrum Judaicum damit beschäftigt, seine ständige Ausstellung von Grund auf zu überarbeiten.

Spielte dort bisher die Reformgemeinde und ihre Synagoge schon eine Rolle, so wird dies in Zukunft noch stärker der Fall sein. So werden einige Objekte, die in den Besitz der Stiftung übergegangen sind, einen festen Platz in der Dauerausstellung bekommen. Darüber hinaus gibt es in der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum klare Vorstellungen, wie die beiden Orte, die Synagoge der Reformgemeinde und die Neue Synagoge – ursprünglich nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt – in der Ausstellung virtuell miteinander verbunden werden sollen.

Denn auf der reichfarbigen Palette des Berliner Judentums repräsentierte die Reformgemeinde in der Johannisstraße die eine Seite des Spektrums und – neben der Gemeindeorthodoxie – die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel die andere: von äußerst liberal bis orthodox.

Der Autor ist Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025

München

»Das ganz Andere fremder Welten«

Die Volkshochschule und das IKG-Kulturzentrum gedachten des 130. Geburtstags der Dichterin Gertrud Kolmar

von Helen Richter  05.01.2025

Feier

Dem Herzen folgen

Die IKG München und Oberbayern bedankt sich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement

von Luis Gruhler  05.01.2025