Als Vladylen Symkyn bei einem Spaziergang durch Bielefeld ein Musikgeschäft entdeckte, wusste er, dass er nun dort hineingehen wird, um endlich wieder Klavier spielen zu können. Gedacht, getan. Glücklich saß er vor den schwarz-weißen Tasten und widmete sich der Musik. Der 72-Jährige kommt aus Tschernigov (Ukraine) und emigrierte Mitte April zusammen mit seiner Ehefrau nach Bielefeld.
Am Dienstag steht er mit anderen jüdischen Flüchtlingen im Rampenlicht, denn sie haben sich zusammengetan und werden heute, 22. November, 20 Uhr, ein Benefizkonzert geben – mit den Spenden sollen andere Flüchtlinge unterstützt werden. Bereits im Sommer hatte die Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld ein Solidaritätskonzert auf die Beine gestellt, und weil es so ein Erfolg war und die Nachfrage so groß ist, sollte es noch einmal stattfinden. Nun in Kooperation mit den Bodelschwinghschen Stiftungen und der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld in der Neuen Schmiede.
Klavier Vladylen Symkyn wird zwei Solostücke spielen und die anderen Musiker begleiten. In seiner Heimat arbeitete er jahrzehntelang am Musiktheater. Noch nicht einmal seine Noten konnte er bei seiner Flucht einstecken. »Ich habe das Klavier so vermisst«, sagt er. Nun ist er glücklich, weil er in der Gemeinde üben kann – auf dem Flügel, den Rabbiner Henry G. Brandt sel. A. der Gemeinde vermacht hat. Jeden Tag kommt der 72-jährige Symkyn. Mittlerweile war er auf einem Flohmarkt unterwegs. »Da habe ich Noten entdeckt und sofort zugegriffen.«
Zwei Gedichte wird Yelyzaveta Kipnis vortragen, die sie selber geschrieben hat. »In den Sätzen verarbeite ich Themen, die allen am Herzen liegen«, sagt Yelyzaveta Kipnis. Auf Russisch und Ukrainisch wird sie sie vorlesen. Darunter sind auch Gedichte für Kinder. Die knapp 80-Jährige ist mit ihrer Tochter und ihrem Enkelkind aus Losova gekommen. Zwar sei sie keine professionelle Dichterin, habe sich aber fast ihr ganzes Leben dem Schreiben gewidmet, sagt die Chemikerin.
»Glücklicherweise können wir bei den Vorbereitungen und beim Konzert ein Stück Normalität erleben«, sagen sie unisono. Es sei wichtig für sie, auf der Bühne zu stehen und sich mit anderen Themen zu beschäftigen, denn der Krieg begleitet sie gedanklich auch hier. Wie es für sie weitergehen wird, wissen sie nicht. »Das wird sich erst in der Zukunft zeigen.« In dieser Zeit leben sie in eigenen Wohnungen, lernen Deutsch und wollen die Sprachprüfung ablegen und sich integrieren. »Wir sind dankbar, dass wir hier sein und weiterleben können.«