Kann ein Kulturprogramm erwachsen werden? Volljährig auf jeden Fall – zum 18. Mal hat der Zentralrat ein umfangreiches Kulturprogramm zusammengestellt. Es bietet auch in diesem Jahr eine Vielfalt an unterschiedlichsten Kulturangeboten in mehreren Genres. »Der Bereich Unterhaltung ist immer ein Schwerpunkt, da dies von den Gemeinden am meisten gewünscht wird.
Doch darüber hinaus gibt es Stoff zum Nachdenken, und das Kulturprogramm bildet«, fasst Küf Kaufmann, der Kulturdezernent des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Programmschwerpunkte zusammen.
Das Kulturprogramm sei ein Element der jüdischen Selbstidentifikation und Instrument der jüdischen Konsolidierung. »Außerdem gibt es nichts Schöneres, als zusammenzukommen und die Kreativität der jüdischen Künstler zu genießen und geliebte Melodien live zu hören.«
»Die Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Filmfestival ist eine echte Win-win-Situation.«
Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann
Das Kulturprogramm 2022, das im vergangenen Monat verschickt wurde und aus dem die Gemeinden jetzt Veranstaltungen auswählen können, ist das zweite unter Pandemie-Bedingungen.
PANDEMIE-BEDINGUNGEN Auch das hatte Auswirkungen auf die Planung. Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats, bemerkt zur aktuellen Lage: »Wir sind zum einen natürlich enttäuscht, dass es jetzt im November und Dezember wieder zu vielen Veranstaltungsabsagen kommt. Zum anderen sind wir aber auch dankbar, dass wir rund 200 Veranstaltungen in diesem Jahr mit dem Kulturprogramm ermöglichen konnten.«
Für das zurückliegende Programm habe es sehr positive Rückmeldungen aus den Gemeinden gegeben. Und eine Neuerung gab es bei vielen – die Veranstaltungen im Freien. So passte man sich an die Gegebenheiten an und verhinderte weitere Absagen. »Viele Gemeinden haben durch die Pandemie Outdoor-Veranstaltungen für sich entdeckt«, so Geschäftsführer Daniel Botmann.
Und so ist er auch für die kommende Saison zuversichtlich. »Daher bleiben wir optimistisch und haben den Katalog für das Kulturprogramm 2022 im November an alle Gemeinden verschickt.«
HIGHLIGHTS Diese haben nun die Möglichkeit, aus vielfältigen Programmpunkten auszuwählen. Nachdem in den vergangenen Jahren der Schwerpunkt auf musikalischen Angeboten lag, wurden nun auch verstärkt Filme und Lesungen aufgenommen. So entstehen vielleicht im neuen Jahr weitere Jüdische Filmtage in deutschen Städten oder auch Jüdische Literaturtage.
»Erstmalig bietet das Kulturprogramm auch Autorenlesungen und Filme an.«
Kulturreferent Küf Kaufmann
»Es gibt zu viele Highlights, um alle aufzuzählen. Aber ganz klar ist das kommende Jahr etwas Besonderes: Erstmalig bietet das Kulturprogramm auch Autorenlesungen und Filme an«, so Kulturdezernent Küf Kaufmann gegenüber der Jüdischen Allgemeinen.
Damit möchte der Zentralrat auch in Städten und Gemeinden, in denen es bisher keine Jüdischen Literatur- und Filmtage gibt, den Nukleus dafür anbieten und entsprechende Voraussetzungen schaffen. Das Filmangebot ist eine Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Filmfestival Berlin und Brandenburg.
»Darüber freuen wir uns ganz besonders«, hebt Geschäftsführer Daniel Botmann hervor. »Das größte Jüdische Filmfestival in Deutschland kann damit auch über die Berlin-Brandenburgische Landesgrenze hinauswirken. Eine echte Win-win-Situation.«
AUSSTELLUNGEN Und sieben unterschiedliche Autoren und Autorinnen können für Lesungen gebucht werden. »Im Bereich Literatur freuen wir uns, alle gewünschten Autoren und Autorinnen gewonnen zu haben«, so Küf Kaufmann. Zu diesen zählen unter anderem Lena Gorelik mit ihrer aktuellen Buchveröffentlichung Wer wir sind und Minka Pradelski mit ihrem Roman Es wird wieder Tag.
Neben diversen Kunstausstellungen ist die Wanderausstellung Shared History, die jüdische Geschichte in Deutschland anhand von 58 Objekten aus über 50 verschiedenen Museen und Archiven darstellt, im Programm. Außerdem die Centropa-Ausstellung mit dem Titel Die Geschichte von La Benevolencija.
Dahinter steht eine jüdische Einrichtung in Sarajewo, die während des Krieges die muslimische Nachbarschaft tatkräftig unterstützte als Suppenküche und medizinische Anlaufstation.
»Das wirkt bis heute nach. Diese Geschichte möchten wir auch in Deutschland erzählen«, hebt Daniel Botmann hervor. Gezeigt wird die Ausstellung angesichts des 30. Jahrestags des Kriegsbeginns im ehemaligen Jugoslawien.
UNSICHERHEITEN Mehr als 50 musikalische Angebote stehen zur Auswahl, darunter Lesungen mit Musik, Klassik, Jazz, Unterhaltung. »Dem Zentralrat ist aber auch der Bereich der liturgischen Musik und Chasanut immer besonders wichtig. Hier sind wir kontinuierlich auf der Suche nach passenden Angeboten für die Gemeinden«, so Küf Kaufmann.
Im Jazz-Bereich gebe es im kommenden Jahr etwas mehr Auswahl. Das hänge vor allem aber auch an der Frage, was in Deutschland entsprechend in der Szene angeboten werde und wer sich für das Kulturprogramm bewerbe.
Die beteiligten Künstler sind hin- und hergerissen zwischen Auftritt und Absage.
Für die beteiligten Künstlerinnen und Künstler bleibt die Zeit während der Corona-Pandemie von Unsicherheiten bestimmt, hin- und hergerissen zwischen Auftritt und Absage. »Die Situation für die Künstler ist natürlich dramatisch. Für unser Kulturreferat ist es ja schon äußerst frustrierend, wenn die vielen Absprachen, Mail-Korrespondenzen und Verträge dann doch wieder in Absagen münden. Auch die Gemeinden sind sehr unglücklich mit der Situation«, umschreibt der Kulturdezernent die derzeitige Situation.
Für die Künstler sei die Aussicht auf einen weiteren Winter ohne Aufführungsmöglichkeiten schrecklich, oftmals existenziell. »Ich bin ja auch Künstler und fühle das stark mit.« Bleibt zu hoffen, dass möglichst viel aus dem neuen Kulturprogramm des Zentralrats in den kommenden Monaten realisiert werden kann.