Mina Gampel ist einfach nur glücklich. Vor wenigen Wochen ist ihre Autobiografie erschienen, und seitdem steht das Telefon nicht mehr still. »So ehrlich« habe sie über ihr Leben geschrieben, sagen die Anrufer, die sie gut kennen. »So spannend«, sagen die, die ihr vor vielen Jahren begegnet sind. Und weil ihr typischer Humor durch alle Kapitel wie ein guter Geist schwebt, macht es das Lesen der Lebensbetrachtung so »süffig«, wie ein guter Wein zu trinken ist.
Meine vier Leben – Weißrussland, Polen, Israel und Deutschland hat Mina Gampel ihre Autobiografie betitelt. Auf 123 Seiten (inklusive einem Fototeil) erzählt die 79-Jährige aus ihrem Leben. Es ist das Leben einer gläubigen Jüdin, einer Holocaust-Überlebenden, einer Malerin, einer Frau vor allem. »Trotz alledem« – dieses Motto, das der Lyriker Ferdinand Freiligrath (1810–1876) über eines der am meisten rezipierten Lieder der Revolution von 1848 geschrieben hat, wurde auch zu Mina Gampels Lebensmelodie.
In knapp gehaltenen Kapiteln berichtet die Autorin über ihr Unterwegssein. Schon als Baby musste sie nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs von Pinsk (damals Polen, heute Weißrussland) bis nach Kirgisien flüchten. »Von diesen Jahren hat mir meine Familie sehr eindrücklich erzählt«, sagt Gampel, die mit sieben weiteren Geschwistern dennoch »wohlbehütet« aufwuchs.
Mutterschaft Nach Aufenthalten in Polen und Israel und kaum dem Teenageralter entwachsen war Mina Gampel mit 21 Jahren schon dreifache Mutter. Ihren Mann und Erzeuger der Kinder nennt sie heute »einen fulminanten Fehlgriff«. Soviel Ehrlichkeit muss sein, meint sie. Sie habe sich schließlich viele Jahre ihres Lebens selbst betrogen. Und trotzdem: Sie habe ihn auch sehr geliebt.
Mit ihren selbst formulierten »Zehn Geboten« hat Mina Gampel die Hürden ihres Lebens gemeistert. »Gib nicht auf, mach weiter, sei nicht verbittert, stehe zu Problemen, lerne, verändere dich, klage nicht, wage Neues, tu alles mit Liebe, vertraue Gott« – ihre Lebensmaximen will die 79-Jährige gern an »andere bedrängte Frauen« weitergeben.
Stuttgart Dass die Wahl-Stuttgarterin, die schon seit 50 Jahren in der baden-württembergischen Landeshauptstadt lebt und sich seitdem auch in der jüdischen Gemeinschaft engagiert, eine bekannte Malerin geworden ist, darauf ist sie erkennbar stolz. Hauptsujet ihres künstlerischen Schaffens sind Szenen jüdischen Lebens. »Die jüdische Seele« will sie in ihren Bildern erlebbar, altes jüdisches Leben aufleben lassen und das aktuelle erkennbar machen.
Dass ihr brennendes Interesse auch den politischen Verwerfungen in dieser Zeit gilt, zeigt ein Diptychon zum Thema Weltreligionen. »Wie ich zum Malen kam« überschreibt sie ihre Lebensbestimmung. Vor lauter Funktionieren habe sie sich viel zu viele Jahre »als Mensch nicht entdecken« können. Sie berichtet, mit welcher Rastlosigkeit sie von Museum zu Museum gereist sei, um die Werke der »ganz Großen« anschauen zu können.
Mit der gleichen Rastlosigkeit widmete sie sich ihren eigenen Studien. »Ich brauche die Malerei wie die Luft zum Atmen«, sagt Mina Gampel. Eine ihrer ersten Ausstellungen hatte sie im Stuttgarter Rathaus. Weitere folgten im In- und Ausland. An eine erinnert sie sich besonders – die Initiative Alte Synagoge Hechingen lud sie ein.
Würdigung Im Epilog schreibt die Autorin, dass sie sich im Rückblick ihr Leben oft anders gewünscht hätte. Als größte Pleite sieht sie ihren Offenbarungseid, den sie aufgrund der immensen Schulden ihres Mannes leisten musste. Als größtes Glück sieht sie ihre drei Söhne. Und sie hat einen großen Traum: Nachdem schon die Sammlung Würth in Künzelsau ein Bild angekauft hat, sollte die Staatsgalerie Stuttgart das Gemälde »Mädchen an der Mauer« erwerben und zeigen. »Es wäre eine Würdigung für das ganze jüdische Volk«, sagt Mina Gampel.
Mina Gampel: »Meine vier Leben: Weißrussland, Polen, Israel, Deutschland«, Selbstverlag 2018, 123 S., 19,90 €