Literatur

Von Dorfjuden und Milchmännern

Gut besucht: die Veranstaltung in Erinnerung an den Schriftsteller Scholem Alejchem Foto: Marina Maisel

Auch 100 Jahre, nachdem Scholem Alejchem am 13. Mai 1916 in New York den Folgen einer Tuberkulose erlag, ist er in aller Welt und in München nach wie vor unvergessen. Nicht, dass etwas darüber bekannt wäre, dass Alejchem jemals in München gewesen ist. Die Stationen seines Lebens waren sein Geburtsort Perejaslav in der Ukraine, Kiew, Wien, Paris, Czernowitz, Odessa, New York, Berlin, Baranowitsch in Weißrussland, Lausanne, Badenweiler, Nervi bei Genua, das Ostseebad Ahlbeck und wieder New York.

Doch München und Umgebung wurde nach der Befreiung von 1945 bis in die 50er-Jahre blühendes Zentrum jiddischsprachiger Kultur von jüdischen DPs (Displaced Persons). Sie verehrten die Klassiker Mendele Moicher Sforim, Jizchok Leib Perez und den »literarischen Enkel« Scholem Alejchem.

lesung Der Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur richtet in Kooperation mit dem Kulturzentrum der IKG einen Scholem-Alejchem-Vortrag aus, zu dem alljährlich im Sommer ein jiddischsprachiger Referent eingeladen wird. In München unterhält der Schweizer Manesse-Verlag eine Dependance; in deren Reihe der Weltliteratur ist Alejchems Tewje, der Milchmann vertreten. Zum Jubiläumstermin brachte Verleger Horst Lauinger eine Neuausgabe – in der Übersetzung und mit einem Nachwort von Armin Eidherr – heraus und verband dies mit einer Buchpräsentation im Jüdischen Gemeindezentrum.

Den Vortrag selbst hielt Evita Wiecki, Jiddischlektorin an der der LMU. Sie stellte das Leben und Werk von Scholem Rabinovitsch, wie der Schöpfer von Erzählungen und Essays, Romanen und Theaterstücken ursprünglich hieß, vor. Seine humoristische Betrachtung des Schtetl-Lebens ist im öffentlichen Bewusstsein immer noch präsent, führte Wiecki aus – nicht zuletzt durch den Erfolg des Musicals Anatevka, für das der Episodenroman über den mit sieben Töchtern gesegneten Milchmann Tewje den Stoff lieferte. Zudem hätten Alejchems Themen nichts von ihrer Aktualität verloren: »In seinen Büchern geht es um Heimat und Flucht, Armut und Sicherheit, Glaube und Moral, und im Tewje um die Sorge um die Kinder und den Generationenkonflikt.«

Scholem Alejchems Stärke war, so Evita Wiecki, seine Beobachtungsgabe. Er kannte die wohlhabenden Sommerfrischler, aber auch Luftmenschen und Dorfjuden wie Tewje. Der Monolog in der ersten Person sei sein bevorzugtes Stilmittel gewesen. Seine Gesellschaftskritik berücksichtigte »die sich wandelnden Lebensumstände der Juden in Osteuropa, die Pogrome, Massenauswanderung, aber auch Urbanisierung und Auflösung traditioneller Lebensstrukturen«.

Migration Für die Lesung wählte Evita Wiecki Schlüsselszenen aus Alejchems Tewje, die Eli Teicher im jiddischen Original im Wechsel mit Armand Presser auf Deutsch vortrug. Die Passagen verrieten den Zuhörern, wie Tewje Milchmann wurde, wie ein Revolutionär seine Tochter Hodel erobert und was er über Heimat und Migration denkt.

Wie heißt es so schön in Scholem Alejchems Testament: »Der bester monument vet zayn far mir, az men vet leynen mayne verk.« – »Das beste Denkmal für mich wird sein, wenn meine Bücher gelesen werden.«

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025

Emanzipation

»Die neu erlangte Freiheit währte nur kurz«

Im Münchner Wirtschaftsreferat ist eine Ausstellung über »Jüdische Juristinnen« zu sehen

von Luis Gruhler  18.02.2025

Portät der Woche

Magische Momente

German Nemirovski lehrt Informatik und erforscht den Einsatz Künstlicher Intelligenz

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.02.2025