1958 stellte der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion 50 jüdischen Intellektuellen inner- und außerhalb des Landes die Frage: »Wer ist Jude?« Damals – zehn Jahre nach der Staatsgründung – ging es um die Debatte des Rückkehrgesetzes. Die Problematik der Kinder jüdischer Väter und nichtjüdischer Mütter beleuchtete die Historikerin Mirjam Zadoff als eine Facette von vielen im Rahmen ihres Abschiedsvortrags.
Identität Die akademische Rätin am Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur analysierte, was jüdische Erfahrung im 20. Jahrhundert ausmacht, und stellte fest, dass es für keine Epoche so schwierig sei zu definieren, welche Aspekte ein Leben als jüdisch bestimmen.
Die halachische Position hierzu ist klar. Doch wie sehr Zeitumstände und persönliche Lebensentwürfe mitbestimmen, was ein jüdisches Schicksal ausmacht, verdeutlichte Zadoff an signifikanten Beispielen von jüdischen Märtyrern während der Kreuzzüge bis hin zum Tod als Jude »in totalitären Regimes nach einem nichtjüdisch gelebten Leben«.
Im voll besetzten Hörsaal des Historicums verabschiedete Michael Brenner seine ehemalige Doktorandin. Zwölf Jahre zuvor war die Judaistik- und Geschichtsstudentin Mirjam Triendl von der Universität Wien nach München gekommen. Nun zieht die Privatdozentin Mirjam Zadoff mit Familie nach Bloomington, wo sie ab Herbst den Alvin-Rosenfeld-Lehrstuhl für Jüdische Studien innehat.
Mängel Es gehöre zu den offensichtlichen Mängeln des deutschen Universitätssystems, so Brenner, dass man die besten Leute nicht halten könne. Auch Ehemann Noam Zadoff, der mit einer preisgekrönten Arbeit über Gershom Scholem promovierte, hat an der der renommierten Indiana University eine Anstellung gefunden.
Mirjam Zadoff kommt im Winter wieder zur Präsentation ihrer Arbeit über das Leben von Werner Scholem. Den kanadischen Liedermacher Leonard Cohen, den zionistischen Politiker Reuben Brainin, den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Werner Scholem nahm Zadoff als Beispiele für ihre These, wonach »der Raum jüdischer Erfahrung nie zuvor derart pluralistisch gewesen« sei »wie in den letzten 100 bis 150 Jahren«.