Die Hamburger Reform-Synagoge steht in der Tradition einer 200-jährigen Geschichte des Liberalen Judentums, die 1817 von den Juden der Hansestadt Hamburg ausging. Zuerst nahmen jüdische Gemeinden in Berlin die Idee des Israelitischen Tempels Hamburg auf.
Neue Synagogen wurden gebaut, Synagogen, in der Frauen und Männer den Gottesdienst nicht mehr getrennt abhielten und in denen nicht nur auf Hebräisch, sondern auch auf Deutsch gepredigt wurde. Nun feiert die Reform-Synagoge Hamburg das denkwürdige Jubiläum »200 Jahre Hamburger Israelitischer Tempel« von Freitag, den 8., bis Montag, den 11. Dezember, mit Vorträgen, Konzert und Gottesdienst.
Die Reform-Synagoge Hamburg gründete sich im Oktober 2016 als Teil der Hamburger Einheitsgemeinde nach einer Satzungsänderung, nach der liberal konvertierte Juden Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg sein dürfen.
Gottesdienst »Ich bin beeindruckt und dankbar, dass die Einheitsgemeinde Hamburg den Weg für mehrere Strömungen des Judentums öffnet, damit sich in ihr alle Hamburger Juden wohlfühlen können«, sagte Rabbiner Henry Brandt vor einem Jahr beim Festgottesdienst.
Der heute 90-jährige Rabbiner zeigte sich begeistert, dass die Neugründung der Reform-Synagoge an die Idee von 1867 und damit an das Hamburger Judentum anknüpft, von dem im 19. Jahrhundert das Liberale Judentum ausging.
Kompromiss Am 11. Dezember 1817 trafen sich 65 Hamburger Juden und unterzeichneten die Statuten des Neuen Israelitischen Tempelvereins. Sie wollten ihr Judentum bewahren, indem sie es mit den Anforderungen der modernen, säkularen Gesellschaft zu einer liberalen Einheit verschmolzen.
Ziel: Gleichberechtigung in der Hamburger Gesellschaft. Prediger Eduard Kley setzte das Bestreben praktisch um, predigte neben Hebräisch auch auf Deutsch in der Israelitischen Freischule, ließ Orgelmusik spielen und deutsche Choräle singen. Neue religiöse Lieder entstanden, und immer mehr Juden kamen in Kleys Gottesdienste.
Das alles brachte die orthodoxe Gemeinde gegen die Reformer auf. Der heftige Streit endete mit einem Kompromiss, der dem Tempelverband erlaubte, einen reformierten Gottesdienst zu feiern. Am 3. November 1867 verabschiedete der Tempelverband die »Statuten der Hamburger Deutsch-Israelitischen Gemeinde«. So verhinderte die Gemeinde eine Spaltung. Die Mitglieder waren jung, erfolgreich und pflegten beruflich wie privat enge Kontakte mit Nichtjuden.
Der erste Tempel entstand am Alten Steinweg/Brunnenstraße mit Plätzen für 142 Männer und 107 Frauen, mit Orgel und Chor. Am 18. Oktober 1818 wurde er eingeweiht. Doch das Gebäude wurde verkauft, wieder stand der Tempelverein auf der Straße, bis er nach Behörden-Querelen am 20. April 1841 das Gelände an der Poolstraße kaufen konnte und eine prächtige Synagoge errichtete, die am 5. September 1844 eingeweiht wurde.
Ruine Den Dachfirst krönte eine Nachbildung der Gesetzestafeln, der Magen David war als Rosette in den Giebel eingelassen, und über dem Portal stand »Gesegnet, der da kommt im Namen des Ewigen«. Für die Männer waren im Erdgeschoss 380, für die Frauen auf drei frei sichtbaren Emporen 260 Plätze eingerichtet.
Die West-Empore war für Orgel und Chor bestimmt. In den 30er-Jahren baute der Tempelverein seine dritte Synagoge an der Oberstraße, dort, wohin die beruflich aufstrebenden jüdischen Familien zogen. Von 1931 an nutzte die Gemeinde die Synagoge an der Poolstraße nicht mehr. Heute erinnern vier Gedenktafeln an die Synagoge, deren Apsis in der Ostwand noch erkennbar ist. In der Ruine des Westportals arbeitet heute die Autowerkstatt Stern.
Der Tempel Oberstraße 120 wurde am 31. August 1931 eingeweiht. Als einzigen Schmuck haben die Architekten Felix Ascher und Robert Friedmann eine siebenarmige Menora in den quadratischen Bau gefügt. 1937 feierte der Tempelverband noch sein 120-jähriges Bestehen an der Oberstraße. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 vandalisierten die NS-Schergen auch dieses jüdische Gotteshaus.
Einweihung Anfang Dezember 1942 wurde der Tempelverband in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland gezwungen. 1946 kaufte der Nordwestdeutsche Rundfunk das Gebäude von der Jew- ish Trust Company. Am 9. November 1983 weihte die neue jüdische Gemeinde, die 1952 das Grundstück wiedererhalten hatte, ein Mahnmal mit zerrissener Torarolle und -vorhang vor dem Haus ein, in dem der NDR einen Konzertsaal eingerichtet hat.
»Wir können nicht mehr an das deutsche liberale Judentum anknüpfen, weil es nicht mehr existiert, doch wir kommen an den Ort der Synagoge Poolstraße zurück, wo alles begann«, sagt Irith Michelsohn, Generalsekretärin der Union progressiver Juden. »Ich sehe mich in der Tradition des Reformjudentums, das in Hamburg gegründet wurde, aber nicht als Nachfolgerin der damaligen Gemeinde«, erklärt Ulrike Gobin vom Vorstand der heutigen Reform-Synagoge.
»Unsere Reform-Synagoge wollen wir jetzt konsolidieren und bekannter machen«, erläutern Michael Heimann und Wolfgang Trautvetter vom Vorstand der Reform-Synagoge. Beide sehen die Zukunft des Reformjudentums in Hamburg sehr zuversichtlich.