Die Achava-Festspiele unter der Intendanz von Martin Kranz sind die Alternative für die abgesagten Jüdischen Kulturtage in Berlin in diesem Jahr. Für Thüringen stellen sie eine hochgelobte Premiere dar. Längst hatte Kranz Künstler aus Israel, den USA und anderen Ländern für das Jahr 2015 verpflichtet, bevor die umstrittene Absage der Berliner Gemeinde kam.
Kranz zog Konsequenzen und mit seinem Tross nach Thüringen. Dort lief er offene Türen ein und erhält seither viel Beifall für seinen Schritt in die Provinz. Denn ein solches Festival mit jüdischem Impuls und deutschlandweiter Ausstrahlung hat es bislang in dieser Region noch nicht gegeben. Interreligiöse Dispute mit hochrangigen Vertretern der abrahamitischen Religionen und internationale Bühnenkunst erster Güte gestalten die derzeit noch laufende Premiere zu einem Erfolg.
»Wenn wir 3000 Besucher innerhalb dieser neun Tage haben werden, bin ich zufrieden«, sagt Kulturmanager Kranz. Verglichen mit den 35.000 Besuchern der Jüdischen Kulturtage im vergangenen Jahr in Berlin ist das wenig. Allerdings sahen die Zahlen vor elf Jahren in der Hauptstadt ähnlich aus, obwohl die Berliner Gemeinde 10.000 Mitglieder hat.
Eröffnung In Thüringen hingegen sind es kaum 800. »Thüringen hat die Hälfte der Einwohner von Berlin. Und zudem möchten wir aus Thüringen heraus die Einladung nach Berlin und Frankfurt und andere Regionen schicken«, antwortet Martin Kranz auf die Frage, ob ein solches Festival nicht vielleicht zu groß für das kleine Thüringen sei. Bereits in diesem Jahr habe er Reaktionen aus Köln und München erhalten. Auch Berliner waren angereist, um das famose Eröffnungskonzert im Dom mit drei Kantoren und dem Rias-Kammerchor zu erleben.
Für ihn werde es »Zeit, dass auch solche positiven Signale wie diese Festspiele aus dem Osten kommen«, sagte Kranz. Aus Thüringen stammte der NSU. In der Suhler Flüchtlingsunterkunft kam es zu einem Übergriff. Doch nun kommt dieses Festival. Die Idee ist gut, ob das aber in den kommenden Jahren personell und finanziell zu stemmen ist? »Ich werde alles daran setzen, dass Achava in Thüringen bleibt«, betont Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Der Zentralrat der Juden hat für Achava eine Anschubfinanzierung gegeben. Und in diesem Jahr wurden noch nicht einmal Steuergelder eingesetzt wie in Berlin.
»Für uns ist das Festival ein tolles Signal«, sagte Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Er will die Festspiele nicht an der Größe seiner Gemeinde messen. Vielmehr hält er die eigene Gemeinde »für so klein, dass es wichtig ist, das Wort ›jüdisch‹ auch außerhalb der Gemeinde zu hören«. Da auch die Politik auf sichtbares jüdisches Leben setze – Schramm spricht von »beispielloser Unterstützung« –, werde auch in Zukunft das Fest der Brüderlichkeit gelingen können.
Religion Auch Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, hält Thüringen für groß genug, ein solches Festival zu tragen – nicht nur als einmalige Ausweichmöglichkeit, weil die Jüdischen Kulturtage in Berlin weggebrochen sind. Vielmehr erlebe er, dass es bereits eine große Vertrautheit der Religionen in dem kleinen Bundesland gebe.
Eine Vertrautheit zwischen der Jüdischen Gemeinde und der Gesellschaft. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Erfurt so massiv an der Erforschung jüdischen Lebens im Mittelalter arbeitet und deshalb mit einiger Erfolgsaussicht auf seinen Eintrag auf die Weltkulturerbeliste der UNESCO blickt. Die mittelalterliche Synagoge, die einzigartige Mikwe und der gehobene jüdische Schatz haben ein Umdenken in Bewegung gesetzt.
Damit ein solches Fest auch in den kommenden Jahren stattfinden kann, reichen selbst die besten Willenserklärungen nicht aus. Doch scheinen bereits die nächsten Ideen greifbar. So denken die Macher um Martin Kranz, Jascha Nemtsov und Hellmut Seemann beispielsweise über ein Limmud-Angebot an der Uni Jena nach. Diese vier Tage jüdischen Lernens dürften ein deutschlandweites Interesse finden. Und die Finanzierung, die in diesem Jahr so schnell realisiert werden musste, dürfte mit etwas mehr Zeit zumindest vorstellbar sein.