Mit zwei Veranstaltungen gedachten die Münchner im Bayerischen Landtag der Opfer der Schoa. Bereits am 24. Januar hatte die »Initiative 27. Januar« zu einer Gedenkstunde eingeladen, bei der Michael Fischbaum vom Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde appellierte, die »Werte unsere Demokratie und Rechtsordnung in Europa zu schützen und zu verteidigen«.
Am 27. Januar, dem 65. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, hatte die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm, zum Holocaust-Gedenktag ins Maximilianeum eingeladen. Sie unterstrich, dass Wissen allein nicht ausreiche und betonte unsere Verantwortung für Gegenwart und Zukunft, damit die Worte »Nie wieder!« nicht zu einer leeren Hülse werden. Dem schloss sich Oberbürgermeister Christian Ude in seinem Grußwort an.
menschen Eine wichtige Aufgabe nimmt dabei das NS-Dokumentationszentrum ein, das sich im Aufbau befindet. Die Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak erläuterte den Auftrag des Zentrums: »An Auschwitz zu erinnern, indem wir stets bedenken, dass Auschwitz etwas mit dem Menschen, mit uns selbst zu tun hat. Wenn Geschichtsschreibung über den Nationalsozialismus und die NS-Verbrechen überhaupt sinnvoll sein kann und ist, dann als Aufforderung zu kritischer Selbstreflexion.« IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, dass die Schoa-Überlebenden die traumatischen Erfahrungen der Zeit nicht vergessen können. Das bedeute für die Gegenwart und die Zukunft die Verpflichtung, nicht zu vergessen, welche Verbrechen die Nazis im Namen einer men- schenverachtenden Ideologie begangen haben: »Nicht nur, weil wir es den Opfern des Holocaust schuldig sind, den jüdischen Männern, Frauen und Kindern, den Sinti und Roma, den Homosexuellen sowie den politischen Häftlingen, ihr Andenken zu bewahren. Sondern auch, weil Menschlichkeit aus der Erinnerung an die Vergangenheit erwächst. Denn die Verbrechen der Vergangenheit mahnen uns, wachsam zu sein.« Daraus folgt die »moralische Pflicht, den Anfängen zu wehren und alles dafür zu tun, dass sich Minderheiten hierzulande sicher fühlen können«.
Mit Blick auf Auschwitz forderte die Zentralratspräsidentin auch, die Gedenkstätte vor dem drohenden Verfall zu bewahren: »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ruinen der Gaskammern und die Baracken des früheren Vernichtungslagers Auschwitz, die der Nachwelt die industrielle Vernichtung von Leben überliefern, zerfallen.« Charlotte Knobloch unterstrich in ihrer Ansprache die Bedeutung der Demokratie, die keineswegs als selbstverständlich betrachtet werden dürfe.
Gefahren Die Schoa erinnere daran, »dass wir demokratische Werte leben und verteidigen müssen. Besonders jetzt, wo sich die immer aggressiver zeigen, die einer Ideologie des Hasses anhängen so wie ein bekannter Münchner Neonazi-Stadtrat, der sich vor wenigen Monaten Schülern anbiederte, um sie mit seinem braunen Gedankengut zu infiltrieren.« Sie wies auf ein Pamphlet der Bürgerinitiative »Ausländerstopp München« hin, indem zum internationalen Schoa-Gedenktag »die Singularität des Holocaust, der industriell betrie- benen Vernichtung und Ausrottung von Millionen Menschen im Nationalsozialismus in Zweifel gezogen und Geschichtsrevisionismus betrieben« wird.
Die Grausamkeit dieser Vernichtungsmaschinerie hatte Monika Harms in ihrer Rede eindringlich vor Augen gerufen. Die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof zitierte den Vorsitzenden beim Frankfurter Auschwitzprozess, Hans Hofmeyer: Hinter dem Tor »begann eine Hölle, die für das normale Hirn nicht auszudenken ist und die zu schildern, die Worte fehlen«. Die »Bilder apokalyptischen Ausmaßes mussten den erschauern und erschrecken lassen, der sich noch ein Gefühl von Menschlichkeit bewahrt hatte und nicht von hasserfüllter Propaganda und Ideologie des Nazi-Regimes hinweggespült worden war«. Die Schatten sind geblieben, Das Unrecht ist nicht wiedergutzumachen. Der Holocaust hat die Welt und das Bewusstsein der Menschen verändert, stellte Harms fest. Doch es habe lange gedauert, bis die deutsche Gesellschaft bereit war, sich diesen Fragen zu stellen.
Die Nürnberger Prozesse erreichten dies noch nicht: »Die Deutschen, kriegsmüde und erschöpft, wollten nicht wahrhaben, was geschehen war.« Erst 1958 begann mit der Ludwigsburger Zentralstelle die systematische Ermittlung und Aufklärung von NS-Verbrechen. »Auschwitz betraf und betrifft uns alle«, betonte Harms. Die rechtliche Aufarbeitung helfe, die Wahrheit zu erforschen und zu sichern. Hoffnung hatte auch Knobloch mit auf den Weg gegeben: »Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, aber eine gemeinsame friedliche Zukunft können wir gestalten.«