Es war ein ganz besonderer Abend im Ephraim-Palais in Berlin-Mitte: Am 26. April feierte die Ephraim-Veitel-Stiftung – Deutschlands wahrscheinlich älteste jüdische Wohltätigkeitsstiftung – ihre Rückkehr nach Berlin. Der Ort für die Feier war keinesfalls zufällig gewählt worden. Das imposante Gebäude im Nikolaiviertel gilt als das Stammhaus der jüdisch-preußischen Familie Ephraim und ist der neue Hauptsitz der Stiftung.
»Ein verstoßenes Waisenkind kommt vom Rhein zurück an die Spree«, sagte Karl Erich Grözinger in seiner Begrüßungsrede vor geladenem Publikum. Der 75-jährige Judaist und Stiftungsvorsitzende hat mit seinen historischen Recherchen maßgeblich dazu beigetragen, dass die 1799 von dem preußisch-jüdischen Philanthropen Ephraim Veitel gegründete Stiftung nach der »Arisierung« durch die Nationalsozialisten heute wieder satzungsmäßig eine jüdische Stiftung ist. Dass die Institution von Bonn nach Berlin und damit zurück an ihre Geburtsstätte verlegt werden konnte, bezeichnete Grözinger als »institutionelle Wiedergutmachung historischen Unrechts«.
gründervater Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hieß die Stiftung und ihre Mitarbeiter an ihrer neu-alten Wirkungsstätte willkommen. »Mit dem Einzug der Ephraim-Veitel-Stiftung in das Ephraim-Palais kommt endlich zusammen, was zusammengehört«, sagte der Senator. Die Rückkehr der Stiftung nach Berlin sei Ausdruck des wieder erblühenden jüdischen Lebens in der Hauptstadt. »Dass wir in Berlin heute die am schnellsten wachsende jüdische Community außerhalb Israels haben, macht uns stolz«, erklärte Lederer weiter.
»Die Rückkehr ist Ausdruck des wieder erblühenden jüdischen Lebens in der Stadt.« Kultursenator Klaus Lederer
Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach mit Blick auf den Umzug der Stiftung nach Berlin von einem »überaus erfreulichen Zeichen«. »Dass die Ephraim-Veitel-Stiftung nach den dunklen Kapiteln der Vergangenheit heute wieder in dem ursprünglichen Sinne ihres Gründervaters arbeiten kann, ist das große Verdienst von Professor Grözinger und seinem Team«, sagte Botmann der Jüdischen Allgemeinen. Er freue sich auf die künftige Zusammenarbeit mit dem Vorstand.
Stiftungsgründer Ephraim Veitel war ein Hofjuwelier und Münzunternehmer am Hof Friedrichs des Großen und gehörte zu einer angesehenen jüdischen Familie. Für solche Familien war es Tradition, ihren hart erarbeiteten Wohlstand in Form von Stiftungen an ihre jüdischen und christlichen Mitbürger weiterzugeben.
Aus der originalen Stiftungsurkunde vom 6. Februar 1799, die Grözinger bei seinen Recherchen im Potsdamer Landeshauptarchiv gefunden hatte, geht hervor, dass die Institution drei Förderziele hatte. Das erste Drittel des ursprünglichen Gesamtvolumens von »33.333 Reichsthalern und acht Groschen Preußischer Courants« sollte für die Förderung des Studiums der Tora und des Talmud ausgegeben werden. Das zweite Drittel war für die Krankenfürsorge, vor allem für kranke Arme aus der weit verzweigten Stifterfamilie, und der dritte Teil zur Finanzierung der Aussteuer bedürftiger Bräute aus der Verwandtschaft vorgesehen.
arisierung Mit diesem Anspruch einer allgemeinwohlorientierten jüdischen Stiftung arbeitete die Institution bis 1934. Dann wurde die Stiftung wie alle jüdischen Stiftungen von den Nationalsozialisten enteignet – »arisiert«, wie es im NS-Jargon hieß. 1939 wurde ein entsprechendes NS-Stiftungsgesetz erlassen.
Die Nationalsozialisten zerschlugen die Ephraim-Veitel-Stiftung als Institution allerdings nicht völlig. Sie änderten den Namen in »Stiftung von 1803«. Damit spielten sie auf das Jahr an, in dem die Stiftung wirksam geworden war. Die jüdischen Vorstandsmitglieder wurden aus ihren Ämtern entfernt, und finanzielle Zuwendungen wurden nur noch an »arische« Deutsche ausgegeben. Die Erinnerung an den Namensgeber und den jüdischen Ursprung der Stiftung war damit zunichtegemacht worden.
Nach 1945 blieb der in der NS-Zeit eingesetzte Vorstandschef im Amt. Dieser verlegte die Stiftung von Berlin nach Bonn. Vermutlich, um sich der Prüfung durch die alliierte Stiftungsbehörde zu entziehen. Das Stiftungskapital war nach dem Krieg in eine Ost- und eine Westabteilung aufgeteilt und stark reduziert worden.
Der alte Vorsitzende überwies sich dennoch Jahr für Jahr ein Verwaltungshonorar, dies allerdings, ohne tatsächliche Stiftungstätigkeiten auszuführen. Von den Prüfungsbehörden blieben die Stiftung und ihr Vorsitzender in Bonn unbehelligt. Der Mantel des Schweigens und Vertuschens, der sich in den Folgejahren über die Stiftung gelegt hatte, konnte erst 2001 mit dem Tod des alten Vorsitzenden gelüftet werden. Seither agiert die Stiftung wieder unter ihrem ursprünglichen Namen im historischen Sinne ihres Gründers.
»Die Ephraim-Veitel-Stiftung war eine klassische NS-Raubinstitution«, sagte Karl Erich Grözinger. Es sei daher durchaus eine Ironie der Geschichte, dass die Namensänderung die Stiftung vor einer Zwangsauflösung und damit vor dem Schicksal anderer jüdischer Stiftungen in der NS-Zeit bewahrt habe.
»Diesem Umstand verdanken wir es, dass die Ephraim-Veitel-Stiftung die älteste jüdische Stiftung in Deutschland ist, die seit ihrer Gründung bis heute ununterbrochen besteht«, sagt Grözinger, der seit 2007 Vorsitzender der Stiftung ist. Stellvertretende Vorsitzende ist die langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind.
förderziele Die Ephraim-Veitel-Stiftung fördert aktuell Projekte der jüdischen Erziehung und des interkulturellen Austauschs, darunter Schülerfahrten nach Polen und Jugendleiterseminare in Israel. Um die Stiftung wieder voll funktionsfähig zu machen, ist man auf Spenden angewiesen.
Felix Klein, der neue Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, kündigte an, sich für eine Förderung der Stiftung einzusetzen. »Die Ephraim-Veitel-Stiftung trägt mit ihren historischen Traditionslinien entscheidend dazu bei, die unterschiedlichen Facetten deutsch-jüdischen Lebens der Bevölkerung näherzubringen«, sagte Klein.
www.ephraim-veitel-stiftung.de