Juden beim Katholikentag in Mannheim. Das klingt zunächst nach einem Widerspruch. Erst recht, wenn die
teilnehmenden Rabbiner vornehmlich orthodox sind, wo doch der christlich-jüdische Dialog bisher eher etwas für ihre liberalen Kollegen war.
Aber wie sich schon der 98. Katholikentag selbst »Einen neuen Aufbruch wagen« auf die Fahnen geschrieben hatte, haben diesen auch die Rabbiner Jaron Engelmayer, Shaul Friberg, Steven Langnas und Julian-Chaim Soussan gewagt. Sie diskutierten mit kirchlichen Würdenträgern, sprachen mit Laien über Tora, Talmud und Bioethik und fanden das gut. Juden ließen Einblicke zu, in ihr Verständnis von Religion, Schabbat und ihr Gottesbild. Sie stellten religiöse Feiertage gegenüber und beantworteten die Fragen des sehr interessierten Publikums.
Für ihn habe sich das Experiment Katholikentag auf jeden Fall gelohnt, sagte Rabbiner Jaron Engelmayer aus Köln. Sein Referat zur Einführung in den Talmud zog vielleicht weniger Interessierte an als die provokantere Auseinandersetzung von Frauen in den Religionen, bei der Rabbinerin Elisa Klapheck, die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi und die neue Bischöfin der nordelbische Kirche, Kirsten Fehrs, miteinander diskutierten, doch Engelmayer zeigte sich geradezu überrascht, mit welchem Engagement und Wissen die Gäste seiner Einlassung folgten.
Psalminterpretation Ein großes Auditorium erlebten der neue Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Mainz und Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz, Julian-Chaim Soussan, und Karl Kardinal Lehmann aus Mainz bei ihrer Auslegung des 85. Psalms. Der Bürgersaal war voll besetzt. So anschaulich hatten die Zuhörer bisher weder den Text gehört, der sowohl auf Deutsch, Hebräisch und schließlich auch noch im Gesang durch Kantor Boris Chauskin aus Frankfurt und der Schola der Stiftskirche Aschaffenburg vorgetragen wurde, noch ihn von einem Juden und einem Katholiken interpretiert bekommen.
Schüler und Schülerinnen des Ursulinen-Gymnasiums in Mannheim hatten sich mit dem Gottesbild im Islam, im Judentum und im Christentum auseinandergesetzt. Der Plenarsaal musste wegen des großen Andrangs vorzeitig geschlossen werden. Die fundierte Vorbereitung auf die Diskussion und Fragen an die Vertreter der Religionen, Muslima Hamideh Mohagheghi, Katholikin Sabine Pemsel-Maier und Jüdin Sara-Ruth Schumann, waren beeindruckend und ernteten minutenlangen Applaus vom Publikum, das bei weitem nicht nur aus Schülern bestand.
Birgit Welzer, Neurologin aus Köln, interessierte sich für die Gegenüberstellung von christlichen und jüdischen Feiertagen, die Gemeindevorsitzende Schoschana Maitek-Drzevitzky erläutert. »Wenn ich etwas über den Ursprung und den Sinn der jüdischen Festtage erfahre, habe ich das Gefühl, einige Schichten tiefer zu meinen eigenen christlichen Feiertagen vorzudringen«, sagt sie.
antisemitismus Norbert Kallis liest im Gewusel des »Doronia-Basars« im Jüdischen Gemeindezentrum intensiv in einem Buch. Es befasst sich mit Antisemitismus in Sachsen. Kallis hat sich verschiedene Programmpunkte ausgesucht: So schaut er sich die Kalligrafien einer Muslima und einer Jüdin aus der Schweiz an, die Sara-Ruth Schumann aus Oldenburg mitgebracht hatte. Auch die Einführung in Talmud von Rabbiner Julian-Chaim Soussan interessierte den Dresdner Protestanten, der jetzt in der Nähe von Mannheim lebt.
Martina Lenz hat die Reise aus Münster bei Driburg in ihre Geburtsstadt genutzt, um Familie und die Synagoge zu besuchen. »Sie hat mich schon immer interessiert«, jetzt wolle sie endlich mal die Gelegenheit wahrnehmen, sagt die Endvierzigerin. Während Majid Khoshlessan, jüdischer Vorstand der christlich-jüdischen Gesellschaft, drinnen rund 50 Besuchern die Synagoge erklärt, muss die Haupttür zum Gemeindezentrum wegen Überfüllung geschlossen werden.
Grass Politisch wurde es in einem Streitgespräch zwischen dem deutschen Schriftsteller Feridun Zaimoglu und dem jüdischen Politiker und Publizisten Sergey Lagodinsky. Zaimoglu stellte in Bezug auf das umstrittene Gedicht von Günther Grass Was gesagt werden muss klar, dass er zwar den Antisemitismusvorwurf gegen Grass für ungerechtfertigt halte, die eigene Stellungnahme dazu in der gewählten Form aber als »taktlos« bedauere. Er habe übersehen, dass der Text von Grass sich nicht gegen die »rechtskonservative« Regierung Israels, sondern pauschal gegen den jüdischen Staat richtete.