Frau Rabbinerin Klapheck, der Egalitäre Minjan, in dem Frauen gleichberechtigt im Gebet sind, wird 30 Jahre alt. Feiern Sie dieses Jubiläum?
Selbstverständlich, und zwar mit einem Festakt. Der Zentralratspräsident, der Frankfurter Oberbürgermeister und Mitglieder des Frankfurter Gemeindevorstands werden dabei sein, ebenso der Vorstand des Jüdischen Liberal-Egalitären Verbands (JLEV). Unser Kantor, Daniel Kempin, wird für einen liturgischen Höhepunkt sorgen. Was das genau sein wird, kann ich nicht verraten. Es soll eine Überraschung bleiben.
Wie sieht heute Ihre Bilanz aus?
In jedem Fall positiv. Wir sind fester Bestandteil der Frankfurter Gemeinde und verkörpern das »Frankfurter Modell«: liberales und orthodoxes Judentum unter demselben Dach der Einheitsgemeinde. Die Gottesdienste finden parallel statt. Beter aus der einen Synagoge gehen gelegentlich in die andere. Auch werden öfter die Mädchen für ihre Batmizwa zum Egalitären Minjan geschickt, weil sie bei uns gleichberechtigt aus der Tora vorlesen und einen Tallit tragen.
Was waren die Herausforderungen?
Die Gründergeneration war sehr politisch sozialisiert. Manche wie Micha Brumlik, Andrew Steiman oder Susanna Keval gehören bis heute gesellschaftspolitisch zum jüdischen Bild Frankfurts. Sie sorgten dafür, dass es in den 90er-Jahren zu einem Revival des liberalen Judentums kam.
Und heute?
Wir sind nicht weniger politisch. In meinen Schiurim betone ich immer wieder die Verbindung zwischen Judentum und Demokratie. Das ist gerade heute, da die Demokratie in Gefahr ist, wichtig. Hinzugekommen sind neue Herausforderungen, zum Beispiel patrilineare Juden, denen wir über den Giur einen Weg zurück ins Judentum bieten. Oder eine neue Generation mit vielen Eltern mit Kindern.
Das funktioniert?
Für diese Generation ist der Egalitäre Minjan bereits etwas Selbstverständliches. Trotzdem musste er sich neu aufstellen, sich auf die jüngere Generation ausrichten, auf ihre Bedürfnisse eingehen. Das ist eine der großen neuen Herausforderungen.
Fühlen Sie sich heute akzeptiert?
Einerseits sind wir als Egalitärer Minjan in der Frankfurter Gemeinde voll akzeptiert. Aber das heißt noch nicht, dass das liberale Judentum als solches gleichberechtigt akzeptiert ist. Viele Gemeindemitglieder denken immer noch, dass das orthodoxe Judentum das althergebrachte, »normale« Judentum sei und das liberale nur die Ausnahme.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Volle Gleichberechtigung, und zwar in der Form, dass es zwei Tracks in jeder Gemeinde gibt: den liberalen und den orthodoxen.
Mit der Frankfurter Rabbinerin sprach Ralf Balke.