Kol Hakavod!!» – «Alle Achtung!» Mit der hebräischen Redewendung zollte Trude Simonsohn der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, deren Entwicklung sie von Anfang an begleitet hat, ihren Respekt. Die Holocaust-Überlebende und Frankfurter Ehrenbürgerin nahm am Werkstattgespräch teil, bei dem erste Einblicke in die neue Dauerausstellung der Bildungsstätte präsentiert wurden. «Anne Frank. Morgen mehr» heißt die als «Lernlabor» konzipierte Ausstellung. Der Titel geht auf einen Tagebucheintrag von Anne Frank aus dem Juli 1942 zurück, als die Familie Frank ihr Versteck in einem Hinterhaus in Amsterdam bezog.
Die bisherige Dauerausstellung, «Anne Frank. Ein Mädchen aus Deutschland», lockte seit 2003 rund 120.000 jugendliche Besucher nach Frankfurt. Nun werden die Räume der Bildungsstätte komplett umgebaut. Eine Empore wird eingezogen, dort sollen Wechselausstellungen gezeigt werden. Das im Hauptraum untergebrachte Lernlabor wird am 12. Juni 2018, dem 89. Geburtstag Anne Franks, eröffnet.
Augenhöhe Mit dem veränderten Konzept möchte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte, auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen reagieren und Jugendliche auf Augenhöhe ansprechen. «Wir nehmen die Geschichte von Anne Frank als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in Vergangenheit und Gegenwart», sagt Mendel.
Den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung bezeichnete Frankfurts Bürgermeister Uwe Becker in seinem Grußwort als «etwas, an dem alle arbeiten können». «Ich trage heute ganz bewusst die Kippa», sagte Becker im Hinblick auf seine eigens für den Termin gewählte Kopfbedeckung. Er beklagte einen Anstieg der Judenfeindlichkeit in Frankfurt, Deutschland und Europa. «Man kann darauf eingehen, wenn ein Jugendlicher das Wort ›Jude‹ als Schimpfwort gebraucht, und nicht weghören», mahnte der CDU-Politiker.
Trude Simonsohn dankte in ihrer kurzen Ansprache der Stadt Frankfurt und verwies auf ihren Eintrag ins dortige Goldene Buch: «Ich bin zum ersten Mal wieder zu Hause. Und das ist Frankfurt.»
Die verantwortliche Kuratorin für die Ausstellung, Deborah Krieg, erläuterte das Konzept des neuen Lernlabors. Die jugendlichen Besucher sollen zu Fragen animiert werden: «Was sind meine eigenen Perspektiven? Was finde ich ungerecht? Was möchte ich verändern?» Das Lernlabor solle jedoch «nicht die Botschaft vermitteln, dass Erfahrungen von Diskriminierung und Verfolgung gleichzusetzen sind», betonte Krieg. Jugendliche hätten zwar eine große Empathie in Bezug auf die Vergangenheit, es falle ihnen aber schwer, diese adäquat auf die Gegenwart zu übertragen. Als Beispiel zeigte die Kuratorin eine Abbildung aus den sozialen Netzwerken: Neben einem Graffiti – Anne Frank mit Palästinensertuch – ist eine junge Frau, ebenfalls mit dem Tuch bekleidet, zu sehen. Überhaupt gehöre Antisemitismus, so Krieg, zu den Themen, bei denen Jugendliche den meisten Mut brauchen, um sich dagegenzustellen.
Interaktiv Das neue Lernlabor werde aus 30 interaktiven Stationen bestehen, kündigte Krieg zudem an. Zwei Stationen waren schon vorab zu besichtigen. Die Journalistin Khola Maryam Hübsch stellte die «Racist Glasses» vor. Durch diese speziell präparierte Brille lässt sich eine zunächst neutral erscheinende Figur buchstäblich von Vorurteilen verzerrt betrachten. Diese interaktive Lernstation soll erlebbar machen, wie Stereotype entstehen.
Die Journalistin und Buchautorin Esther Schapira präsentierte zudem das «virtuelle Hinterhaus». Mit einem Tabletcomputer lassen sich mehrere Räume des Amsterdamer Hinterhauses, in dem Anne Frank ihr berühmtes Tagebuch schrieb, virtuell erkunden. Die digitalen Rekonstruktionen der Räume ermöglichen einen Rundumblick und wirken täuschend echt.
Es sollen noch Geschichten zu allen Bewohnern des Hauses hinzukommen. Der hinter einem Bücherregal verborgene Zugang zum Hinterhaus, das Badezimmer, Anne Franks Zimmer und das gemeinsame Wohnzimmer vermitteln einen sehr authentischen Eindruck von den widrigen Lebensumständen im Versteck.