In der Kölner Franz-Herschtritt-Kindertagesstätte blühen die Mandelbäume. Rosa Blütenblätter aus fein zugeschnittenem Tonpapier, aus zusammengeknüllten Papierdeckchen und aus angemalten Knöpfen zieren die Wände. Tu Bischwat, der Feiertag zum Neujahrsfest der Bäume kündigt sich in den Bastelarbeiten der Kinder an. »Tu Bischwat, Tu Bischwat, Fest der Blumen, Fest der Bäume, wie ein bunter Traum« – 15 Kinder sitzen im Kreis und singen laut das Lied auf Deutsch, Hebräisch und schließlich Russisch. Erzieherin Galina Blechmann hat sich mit der Elch-Gruppe zusammengesetzt. Sie begleitet die schwungvollen Lieder auf der Gitarre und bespricht mit den Kindern den bevorstehenden Feiertag.
An der Wand hängt ein selbst gestalteter Feiertagskalender: ein unterteilter Kreis mit kleinen ausgeschnittenen Symbolen. Der gelbe Papierpfeil zeigt auf eine Blume, Gras und einen Baum. Hier steckt viel Kreativität und Einsatz dahinter, aber auch eine gewisse Notwendigkeit. »Motive zu jüdischen Themen gestalten wir häufig selbst, da die Einkaufsmöglichkeiten für jüdisches Material von Deutschland aus sehr begrenzt sind«, erläutert Elisabeth Frey-Salz, die Leiterin der Kita. In Israel, aber auch den USA sähe das anders aus.
Dort gibt es spezielle Geschäfte für jüdischen Kindergartenbedarf, die von Bastelmaterialien für die einzelnen Feiertage über Plakate und Puzzles mit Symbolen bis zu Spielzeug, das unterschiedliche Aspekte der Religion aufgreife. »Wenn eine Kollegin nach Israel fährt, schaut sie, was es Neues auf dem Markt gibt und schickt uns, was sie gekauft hat«, erklärt Frey-Salz. So kommen die Kinder an Luftballons mit Chanukka-Leuchtern, an Puzzles mit Schabbat-Zubehör oder an Memories mit religiösen Symbolen.
kontakte Auch andere Kindergärten sind auf Einkäufe in Israel und Amerika angewiesen, um ihren Fundus an jüdischen Materialien aufzustocken. So steht die Leiterin des Stuttgarter Ha-Shalom-Kindergartens, Sabine Morein, in engem Kontakt zu einer Freundin, die in der Nähe der Golanhöhen einen Kindergarten leitet. »Wir tauschen uns aus, und sie hält mich auf dem neuesten Stand.« Etwa alle zwei Jahre fährt die gebürtige Israelin nach Hause und kauft ein: Miniflaschen zum Bemalen für selbst gemachten Pessach-Wein, Mini-Kiddusch-Becher, Zubehör für eine selbst gebastelte Decke, um die Mazzot zuzudecken, kleine Siddurim zum Ausmalen und Bastel-Schablonen. Dazu kommen CDs mit hebräischen Liedern und DVDs, auf denen die Feiertage erläutert werden.
Nicht nur die Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten begeistert sie, ein weiterer Vorteil sind die vergleichsweise günstigen Kosten durch den Wechselkurs. Wenn der Kiddusch-Becher umgerechnet nur zehn Cent kostet, bleibt noch etwas vom Budget für die Versandkosten übrig.
Eigeninitiative Die Einkaufsmöglichkeiten in Israel nutzt auch der Ronald-Lauder-Kindergarten in Hamburg, der Kinder ab einem Jahr betreut. »Alles, was wir hier haben, wurde mitgebracht – von Erzieherinnen oder Familien, die uns vor ihrer Abreise fragen«, erklärt Leiterin Judith Jacobius und bedauert, dass es so schwierig ist, an jüdische Materialien für Kindergärten zu kommen. Sie sieht zum Beispiel ein großes Manko bei der Bilderbuchauswahl und der Literatur auf Deutsch. »Hier würde ich mir deutlich mehr Bücher wünschen, die wir einsetzen könnten, die nicht auf Hebräisch sind.« Bilderbücher von der Arche Noah oder der Geschichte von Josef und seinen Brüdern gäbe es in deutscher Version, dann sei aber auch schon Schluss. Judith Jacobius verweist auf Bestellmöglichkeiten etwa über einen Versandhandel in der Schweiz und in Österreich (Books & Bagels), doch Lieferkosten von knapp 40 Euro sind ihr einfach zu teuer.
hohe Versandkosten Ähnlich geht es Monika Röse von dem in Dortmund ansässigen Familienzentrum HaGescher, das im vergangenen Jahr zum Familienzentrum erweitert wurde. 55 Kinder im Alter von vier Monaten bis sechs Jahren werden hier betreut. »Für unsere augenblickliche Arbeit sind wir gut ausgestattet, was jedoch nicht heißt, dass wir für die nächsten Jahre nichts mehr benötigen«, so die Leiterin. Sie kauft hauptsächlich im Versandhandel doronia ein oder wendet sich an die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Dazu kämen selbst gebaute Utensilien wie zum Beispiel eine Gebetsecke, Gebotstafeln und selbst hergestellte Spiele. »Jedes Jahr stellen wir für die Kinder ein altersentsprechendes Spiel her, das die Kinder zu Chanukka von uns bekommen.« Kultgegenstände wie Chanukkia, Sederteller und Schabbatutensilien seien natürlich vorhanden, sagt Monika Röse.
»Was wirklich wünschenswert wäre, wäre ein deutscher Vertrieb von Feiertagsmaterialien. Das würde unsere Arbeit sehr erleichtern.« Die einzelnen Kindergärten behelfen sich selbst. So hat die Stuttgarter Einrichtung ein 40-seitiges Channukka-Purim-Heft zusammengestellt, das sich an die Eltern wendet. »Wir wollen Anregungen auch für die Familien zu Hause geben«, erklärt Sabine Morein. Sie selbst hat hebräische Texte ins Deutsche übersetzt.
Elisabeth Frey-Salz hat sich inzwischen ein zeitversetztes Organisieren angeeignet: »Wir kaufen jetzt in der Kölner Karnelvalszeit die Rasseln, die wir dann für Purim brauchen.«