In der Eingangshalle des Berliner Hotels haben sich bereits kleine Grüppchen gebildet. Angeregt unterhalten sich die jungen Erwachsenen, die aus der ganzen Bundesrepublik angereist sind. Die letzten Teilnehmer treffen gerade mit ihren Taschen und Rollkoffern ein.
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause ist es endlich wieder soweit: Der Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) hat begonnen.
ZUKUNFT Etwa 300 junge Jüdinnen und Juden im Alter zwischen 18 und 35 Jahren sind für diesen Zweck in die Hauptstadt gekommen. In den kommenden drei Tagen werden sie sich über die drängendsten politischen Themen ihrer Zeit austauschen und mit Vertretern aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft diskutieren. Das Motto des Kongresses lautet: »Die Zukunft gehört uns«.
Wer heute früh genug da war, konnte sich beim Fitness-Programm von Makkabi Deutschland noch etwas bewegen, bevor es mit dem ersten offiziellen Programmpunkt losging. Begrüßt wurden die Teilnehmenden beim Abendessen von Abraham Lehrer, dem Präsidenten der ZWST. Er wandte sich an die Anwesenden und sagte, der Jugendkongress sei ein bedeutender Termin für die ZWST und eine der »wichtigsten Veranstaltungen in Deutschland für eure Altersgruppe«.
Auf dem Kongress, der seit drei Jahrzehnten regelmäßig stattfindet, gehe es »um die Chancen und die Probleme, als jüdischer Mensch in Deutschland zu leben«. Lehrer sieht den Sinn der Tagung auch darin, den jungen Teilnehmern »Angebote zu machen, die helfen sollen, eure Position in diesem Land zu finden«.
PROGRAMM Ebenfalls anwesend war Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Es gibt viel zu besprechen, zu diskutieren, ja auch auszudiskutieren«, sagte er mit Blick auf das ebenso ausführliche wie hochkarätige Programm. Der Anlass sei oft bitterernst: »Antisemitismus ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen.«
Ob BDS, die documenta, die rechtspopulistische AfD oder weitverbreitete antisemitische Verschwörungstheorien - viele Entwicklungen weisen in die falsche Richtung. Daher, so Schuster, brauche es »starke jüdische Perspektiven in unserer Gesellschaft heute mehr denn je«. Die sind auch unter den jungen Juden zu finden, etwa bei der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), die Schuster »eine mutige Organisation« nannte, die dieses Jahr »in der öffentlichen Debatte Präsenz und Haltung gezeigt« habe. Er wünschte allen Teilnehmern »interessante, erbauliche und fröhliche Tage«.
HOCHZEITEN Das letzte Grußwort des Abends gebührte Ron Prosor. Er habe gehört, dass aus »einigen Begegnungen hier auch Hochzeiten herauskommen«, sagte der Botschafter des Staates Israels in Deutschland mit einem Augenzwinkern. Falls das auch dieses Mal geschehen sollte, wünsche er sich sehr, eingeladen zu werden. Die Teilnehmer seien »die Zukunft der deutsch-israelischen Beziehungen«, so Prosor.
Er wolle sich in seinem Amt persönlich für einen stärkeren Schüler- und Jugendaustausch zwischen den beiden Ländern einsetzen. Anlässlich des Lichterfestes Chanukka sagte er den Anwesenden, »es genüge eine Person, die wirklich etwas Gutes tun will, um ein Licht zu sein, um die Dunkelheit in dieser Welt zu beleuchten. Jeder einzelne kann einen Unterschied machen«.
Nach den Grußworten und dem Abendessen ging es für die Juko-Teilnehmer noch mit einem Musikprogramm und Yoga weiter. Morgen müssen sie jedoch fit sein: Auf sie warten drei Tage voller Schabbat-Feierlichkeiten, Vorträgen, Podien und Workshops.
So werden etwa am Freitag mehrere Bundestagsabgeordnete erwartet, die zum Thema »Politik im Krisenmodus« diskutieren, bevor sich Luisa Neubauer von Fridays for Future den Fragen der Teilnehmer stellen wird. Nach einer Workshop-Phase am Samstag, zum Beispiel zu den Themen Iran, Ukrainekrieg oder Israelwahlen, findet am Sonntag das Abschlusspanel über die kontrovers diskutierte Frage des Status von sogenannten Vaterjuden statt. Der Jugendkongress endet schließlich mit dem gemeinsamen Anzünden der ersten Chanukkakerze.
Lesen Sie einen ausführlichen Bericht zum Jugendkongress in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.