Es war ein Freitag vor fünf Jahren, so gegen 16 Uhr. Nina lernte gerade die kleinen, aber feinen Unterschiede der hebräischen Verbkonjugation im Fortgeschrittenenkurs Iwrit, als Dekel seinen Kopf kurz zur Tür hereinsteckte. »Schalom«, sagte er. Und es muss dieser Moment gewesen sein, in dem Nina nicht nur rot wurde, sondern in dem sie ich auch in den dunkelhaarigen Israeli verliebte.
Eigentlich kannten sich die beiden schon vorher, denn Nina wollte ihren Sprachkurs ursprünglich bei Dekel belegen. Sie schrieb ihm E-Mails, um zu erfahren, wann, wie und wo der Unterricht stattfinden könnte. Doch dann nahm sie die Stunden bei einem Freund von ihm. »Dekel wollte wissen, wer ihm so oft gemailt hatte, deshalb klopfte er an jenem Nachmittag an die Tür«, beschreibt Nina. Noch konnte er nicht ahnen, dass er Jahre später mit ihr verheiratet sein sollte.
Culture-clash Das deutsch-israelische Paar wohnt heute in Neukölln. Und wenn sie sich beim Hereintragen der Gläser, beim Zurechtrücken der Kissen auf dem Sofa oder auch nur beim Vorbeigehen ansehen, dann funkeln ihre Augen, weil sie wissen: Sie haben sich gefunden. Und zu sich. Denn ein deutsch-israelisches Paar kann manchmal vor kleinen Herausforderungen stehen: »Dekel ist ziemlich verplant, was die Zeit angeht. Obwohl ich nicht weiß, ob das typisch israelisch oder eher typisch Dekel ist«, sagt Nina, die Dekel schon mal eine frühere als die geplante Uhrzeit sagt, wenn es darum geht, irgendwo pünktlich zu sein.
Flunkern ist erlaubt. Dekel nimmt es gelassen. Der 34-jährige Historiker, der gerade an seiner Doktorarbeit sitzt, hat sich über die vielen Jahre, in denen er in Berlin ist, an den Planungstick der Deutschen gewöhnt. Und hat dazu seine ganz eigene Theorie: »Vielleicht hängt das Planen auch mit dem Wetter zusammen. In Israel ist es immer sonnig. Dort geht man einfach los und schaut, was der Tag bringt.« Aber, und das könnte schon fast die Philosophie des Pärchens sein: »Wir treffen uns immer irgendwie in der Mitte.«
Kiddusch Diesen Weg haben sie auch in religiöser Hinsicht genommen. »Ich komme aus einem orthodoxen Haushalt«, sagt Dekel, der in Israel und den USA aufgewachsen ist. Es gab eine Zeit, in der er nicht religiös war, aber zum Judentum »immer eine Verbindung hatte«, sagt Dekel, für den es wichtig war, dass seine Partnerin sich auch dafür interessiert. »Vor allem wegen der Feiertage.« Und so fand Nina auch an einem Feiertag, nämlich an Pessach, ihren ganz eigenen Weg zum Judentum. Sie war zu Gast bei Dekels Familie und überwältigt von der Stimmung, den vielen Menschen.
Das Einzelkind traf auf eine große Familie. Es war laut, herzlich und auch aufregend: »Wir haben die Haggada gelesen, obwohl ich damals noch nicht so wirklich Hebräisch konnte. Aber ich hatte eine Transkription.« Damit hat sie die gesamte Familie beeindruckt, und sie wusste: »Ich war drin.« Dieser Abend hat sie zum Judentum gebracht. Und auf ihrem Weg dorthin hat sie Dekel begleitet: »Alles, was ich gemacht habe, war eine Bereicherung. Ich musste meine Identität nicht ausstreichen«, sagt die Wahlberlinerin. »Das hätte ich auch nicht gewollt«, unterbricht sie Dekel und betont: »Wir wollen gemeinsam jüdisch leben und haben uns zusammen entwickelt.«
Daraus entstanden ist eine gemeinsame Leidenschaft. Denn beide organisieren in der Synagoge Fraenkelufer Kidduschim. Generationenübergreifend und für alle, die Lust haben. »Durchschnittlich kommen 40 bis 50 Leute. Wir machen den Kiddusch für die ganze Synagoge. Alle packen mit an und sind immer willkommen, ob alt, jung, jüdisch, nichtjüdisch.«
Ketuba Dass Nina und Dekel heiraten würden, war den beiden ziemlich bald klar. Nur die Frage, wo und wie, die entpuppte sich bald als Herausforderung: »Unsere Vorstellung lag etwa 300 Personen unter der von Dekels Eltern«, erinnert sich Nina. Und wenn die beiden heute an die Organisation zurückdenken, dann scheinen sie sich zu fragen, wie sie das alles haben meistern können.
Denn nicht nur, dass sie sowohl in Berlin als auch in Israel geheiratet haben, beide Elternpaare kannten sich noch nicht. »Unsere Eltern haben sich vor dem Standesamt zum ersten Mal getroffen, aber sie waren cool miteinander – und sehr aufgeregt«, beschreibt Nina die Begegnung. »Meine Mutter hielt eine Rede, dass sie nun eine Familie dazugewonnen habe.« Das sei sehr berührend gewesen.
»Anschließend haben wir in Israel geheiratet«, erzählt Nina, und »diese Hochzeit haben wir größtenteils am Telefon organisiert. Wir wollten unsere eigene Chuppa haben, haben den Text selbst geschrieben und auch gemeinsam das Glas zertreten.« Spätestens jetzt schauen sich die beiden, die sich zwischendurch immer mal kurz berühren, den Kopf aneinander oder die Hand auf das Bein des anderen legen, verliebt an. »Meine Eltern waren von der Hochzeit sehr begeistert«, sagt Dekel.
»Wir hatten eine tolle Mischung aus deutschen und israelischen Elementen. Zum Beispiel den Hochzeitstanz.« Danach ging es nicht nach Hause, sondern in einen Klub – mit Brautkleid. Wie die beiden allerdings die große, frühlingsfarbene Ketuba, die das Paar im Wohnzimmer zu stehen hat, transportieren wollen, dass wissen sie noch nicht, denn eins steht fest: »Wir möchten in Zukunft viel reisen und sind nicht festgelegt, was den Wohnort angeht.« Hauptsache, sie sind zusammen.