Herr Horowitz, Sie waren mit einer Delegation mit dem Düsseldorfer Oberbürgermeister in Czernowitz, um die Städtepartnerschaft zu unterzeichnen. Welche Eindrücke waren prägend?
Es war zwar eine sehr kurze, dafür intensive und für mich sehr emotionale Reise. Besonders bewegt haben mich die jüdischen Aspekte wie der Besuch des Jüdischen Museums und der Besuch auf dem jüdischen Friedhof, in dessen Nähe ein Schoa-Museum geplant ist.
Welche Erlebnisse waren darüber hinaus außergewöhnlich?
Die morgendliche Erinnerungsminute für die gefallenen Soldaten, wenn die Autos anhalten, die Menschen aussteigen und die Hymne gesungen wird. Oder die Stimmung um 23 Uhr, wenn die Stadt Ausgangssperre hat und sämtliche Lichter ausgeschaltet werden. Bewegend war auch die Zeremonie der Unterzeichnung selbst. Man hat gemerkt, wie angetan die Czernowitzer Delegation war, dass wir in Kriegszeiten bereit waren zu kommen, um Solidarität zu zeigen.
Was bedeutet Ihnen persönlich diese neue Städtepartnerschaft?
Es ist für mich eine sehr besondere Städtepartnerschaft, da meine Eltern bis zu ihrer Auswanderung nach Israel im Jahr 1950 in Czernowitz lebten. Wie sie über die Atmosphäre der Stadt berichteten, hat bei mir einen starken Erinnerungswert. Czernowitz hatte bis zum Zweiten Weltkrieg einen sehr hohen jüdischen Bevölkerungsanteil und galt als »Klein-Wien«. Dazu kommt, dass bei uns in der Gemeinde viele Mitglieder aus Czernowitz und der Bukowina, dem rumänischen Umland, stammen.
Welche Vorgeschichte hatte diese Städtepartnerschaft?
Verbindungen bestehen seit etlichen Jahren. Daraus entstand das Projekt »Erinnerung lernen«, ein transnationales zivilgesellschaftliches Projekt der jüdischen Erinnerung in der Ukraine und in Nordrhein-Westfalen, das auch von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf unterstützt wird. Außerdem gibt es eine Kooperation zwischen unserem Albert-Einstein-Gymnasium und dem dortigen »Gymnasium Nr. 1«. Bereits unter dem vorherigen Oberbürgermeister Thomas Geisel war eine Städtepartnerschaft angedacht. Ein erster Besuch hatte stattgefunden, dann landete das Thema wieder auf einem Nebengleis, bis jetzt die Kriegssituation die Umsetzung forcierte und sein Nachfolger Stephan Keller überlegt hat, wie man ein Zeichen setzen kann, das Solidarität ausdrückt.
Was stand noch auf dem Programm?
Der Besuch eines Flüchtlingsheimes, der Universität und bei der Deutschen Caritas. Auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten gab es viel Austausch, man lernte immer wieder neue Menschen kennen. Es war für mich die beste Delegationsreise, die ich je erlebt habe, von der Stimmung, den Menschen, alles war sehr besonders.
Düsseldorf hat die Städtepartnerschaft mit Moskau eingefroren, was erwarten Sie von der neuen Partnerschaft mit Czernowitz?
Es ist derzeit die wichtigste Städtepartnerschaft, weil sie natürlich auch einen Symbolcharakter hat. Neben konkreter Hilfe für die jüdischen Flüchtlinge dort ist es für uns entscheidend, dass das Jüdische Museum unterstützt wird und, falls es kriegerische Auseinandersetzungen in Czernowitz gibt, Exponate gerettet werden können. Die ukrainische Generalkonsulin in Düsseldorf ist sehr aktiv, ich gehe davon aus, dass es verschiedene gemeinschaftliche Veranstaltungen geben wird – in der derzeitigen Situation und auch, wenn dann hoffentlich bald Frieden ist. Natürlich gibt es verschiedene wirtschaftliche Aspekte, auf die die Czernowitzer sehr hoffen. Auch dort wird die Stadt Düsseldorf Interesse haben, eine Zusammenarbeit aufzubauen. Aber das sind Dinge, die eher auf lange Sicht laufen.
Mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sprach Annette Kanis.