Von Rot über Grün bis Lila – in ganz Berlin waren am vergangenen Samstag die Farben des Regenbogens zu sehen. Nicht nur aus vielen Wohnungen hing die bunte Flagge, auch der Bundestag hisste zum ersten Mal in seiner Geschichte das Symbol, das wie kein anderes für die LGBTIQ-Bewegung steht: die Regenbogenflagge.
Omnipräsent war sie schließlich auf dem Christopher Street Day (CSD), bei dem Hunderttausende Menschen mitliefen und für die Rechte der LGBTIQ-Gemeinschaft demonstrierten.
Aufklärung Darunter waren auch einige Mitglieder von Keshet Deutschland, einer Vereinigung von queeren Jüdinnen und Juden. Nicoleta Mena ist seit vergangenem Jahr im Vorstand von Keshet und beschreibt die wichtigste Aufgabe des Vereins so: »Es geht darum, die Community zusammenzubringen und einen sicheren Raum für uns zu schaffen.«
Zu der parallel zum CSD stattfindenden »Internationalistischen Queer Pride« hatte auch die israelfeindliche BDS-Bewegung aufgerufen.
Daneben sei es ihnen ein wichtiges Anliegen, »in der jüdischen Gemeinschaft über LGBTIQ und in der queeren Community über die jüdische Vielfalt und Antisemitismus aufzuklären«, so die 29-Jährige. Beim CSD lief Keshet hinter dem polizeilich gesicherten Wagen der israelischen Botschaft – auch aus Sicherheitsgründen.
nazi-symbolik Es sei immer »ein mulmiges Gefühl mit dabei«, wenn man in der Öffentlichkeit erkennbar als jüdisch und israelsolidarisch auftritt, sagt Mena – und das nicht ohne Grund. Bei der CSD-Parade, die durch Berlin-Mitte führte, waren mutmaßlich auch einige Wachdienstleute, die Tätowierungen mit Nazi-Symbolik trugen, im Einsatz. Die Berliner Senatsjustizverwaltung prüft die Vorwürfe derzeit.
Außerdem hatte zu der parallel zum CSD stattfindenden »Internationalistischen Queer Pride« auch die israelfeindliche BDS-Bewegung aufgerufen. Bei der Veranstaltung in Berlin-Neukölln wurde Israel vorgeworfen, ein »Apartheidstaat« zu sein und »Pinkwashing«, die politische Vereinnahmung der LGBTIQ-Gemeinschaft, zu betreiben.
Für Mena ein »haltloser Vorwurf«. Sie finde es »traurig und frustrierend«, dass eine LGBTIQ-Demonstration auf diese Weise missbraucht werde. Die Keshetniki, wie sie sich selbst nennen, machten an diesem Tag jedoch nur gute Erfahrungen.
Emanzipation Klaus Lederer (Die Linke), der als Berliner Kultursenator den CSD offiziell eröffnet hatte, zeigte an diesem Tag seine Wertschätzung für die jüdische Gruppe und lief eine Weile bei ihnen mit. »Ich bin begeistert über ihren Enthusiasmus und ihr Eintreten für queere Emanzipation«, sagte Lederer im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen über Keshet.
Der Wagen der israelischen Botschaft fand unter den feiernden CSD-Teilnehmern ebenfalls große Zustimmung. Zu den Farben des Regenbogens gesellte sich an diesem Tag daher auch das Blau und Weiß Israels. »Unsere Antwort auf Hass, Rassismus und Antisemitismus ist Liebe, Respekt und Vielfalt«, erklärte auf Nachfrage eine Sprecherin zu der CSD-Teilnahme der Botschaft. Auf dem Wagen fuhr und tanzte auch Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), mit.
Noch nie waren so viele Menschen bei einem »Pride Schabbat« von Keshet dabei.
Bereits am Abend zuvor hatte der ehemalige Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland am »Pride Shabbat« von Keshet teilgenommen, den der Verein seit seiner Gründung 2018 immer am Freitag vor dem CSD abhält. Beck sagte der Jüdischen Allgemeinen, er finde es großartig, »dass jüdische Lesben, Schwule und Trans heute ganz selbstverständlich und selbstbewusst in der jüdischen Welt und in der LGBTIQ-Community ihren Platz einnehmen«. Der »Pride Schabbat«, bei dem er mehr über die jüdische Tradition gelernt habe, sei ihm »ein Fest« gewesen, so Beck.
Auch für Nicoleta Mena war die Veranstaltung in der Neuen Synagoge in Berlin ein voller Erfolg. Noch nie waren so viele Menschen bei einem »Pride Schabbat« dabei, darunter auch zahlreiche Gemeindemitglieder. »Das ist ein schönes Zeichen«, findet sie.