Aufatmen, das kann Alan Bern, künstlerischer Leiter des Yiddish Summer Weimar, wohl erst 14 Tage nach dem europaweit einzigartigen Festival. Denn erst dann könne er ganz sicher sein, dass sich niemand mit dem Coronavirus angesteckt hat.
Getan wurde tatsächlich alles dafür. Nirgendwo gab es Gedränge, Anmeldungen mussten online erfolgen, die Stühle im Freien standen weit auseinander, zu den Workshops waren maximal 16 Gäste zugelassen.
Denn Bern und sein Team, darunter Andreas Schmitges als Kurator und Johannes Gräßer als Projektleiter, haben es tatsächlich geschafft, trotz Corona das größte jiddische Festival in Europa stattfinden zu lassen. Das Land Thüringen und fünf Orte in dem kleinen Bundesland haben alle nötige Unterstützung gegeben.
Jubiläum 20 Jahre Yiddish Summer Weimar wären ohnehin ein Grund zum Feiern gewesen. Diesmal aber war alles anders als noch vor Monaten gedacht. Nicht eines der 28 Konzerte oder der Jamsessions in Weimar, Erfurt, Eisenach, Altenburg und Niederzimmern fand drinnen statt. Zu riskant, hieß es. Also wichen die Künstlerinnen und Künstler ins Freie aus – gar keine so schlechte Erfahrung, versichert Andreas Schmitges.
Insgesamt waren 150 Gäste aus ganz Europa zu Gast – weniger als in den Vorjahren.
Denn das Wetter spielte mit. Sicherheitshalber wurden zwar immer auch Ausweichtermine für die Konzerte bereitgehalten, doch mussten die nur zweimal genutzt werden.
Eine weitere Besonderheit des diesjährigen Festivals war der kostenlose Eintritt. »Wir wollten, dass auch jene in die Konzerte kommen können, die von Corona finanziell stark gebeutelt sind«, sagt Johannes Gräßer. Das tat der Qualität der Konzerte jedoch keinen Abbruch. Insgesamt waren 150 Gäste aus Europa zu Gast. Das klingt viel, dennoch ist es im Vergleich zu anderen Jahren wenig.
Ursprünglich, noch bis Mitte März, war das Jubiläumsfestival für 10.000 Gäste vorbereitet worden. Mit dabei sein sollten internationale Gruppen wie das Caravan Orchestra, Brave Old World und The Other Europeans. Corona hat das verhindert. Dank der schier unerschöpflichen Ideen der Macher des Yiddish Summer wurde das Jubiläum dennoch kein Rumpf-Festival.
Workshops Aus der Not geboren, wurden die Workshops auf drei Stunden am Tag reduziert. Und damit auch die Nachmittage Spannendes brachten, erhielten die Musiker jeden Tag Jiddischunterricht. Das kam richtig gut an und soll auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Neu waren natürlich auch die Gesichtsmasken.
Vielleicht haben die Aktiven um Alan Bern ein wenig übertrieben, als sie darum baten, sogar im Freien die Gesichtsmasken bis hin zum eigenen Stuhl aufzubehalten. Doch das Publikum – immerhin kamen 6000 Menschen – nahm es gelassen und auch erleichtert.
Die Freude darüber, dass das Festival überhaupt stattfinden konnte, war einfach groß genug – sowohl bei den Besuchern als auch bei den Künstlern. »Wir sind so dankbar, dass wir endlich wieder auftreten können«, sagt Sveta Kundish, die ordinierte Kantorin mit der ausdrucksstarken Sopranstimme.
gäste Längst hat der Yiddish Summer Weimar in Thüringen seinen eigenen und schon vertrauten Klang. Zwei, die seit Jahren dabei sind, sind Sveta Kundish und Patrick Farrell. Die beiden sind ein Duo der Extraklasse. Sveta Kundish holte auch diesmal wieder mit leichter Geste das Publikum zu sich heran, und Patrick Ferrell konnte es mit seinen Eigenkompositionen und mit der Begleitung traditioneller jiddischer Lieder bei allem räumlichen Abstand gut halten.
Der notwendige Abstand zwischen den Gästen fiel nach kurzer Zeit nicht mehr auf. Er wurde buchstäblich überbrückt und verschwand hinter dem Gefühl des Miteinanders und der Sinnenfreude. Kundish und Farrell waren eines von fünf Duos, die in diesem Jahr zu Gast beim Yiddish Summer Weimar waren. Alle Auftritte, unter anderem in Weimar und Erfurt, wurden bejubelt.
Das Publikum nahm alle Corona-Vorkehrungen sehr gelassen.
Die Stimmung in diesem wie auch in den anderen Konzerten glich den 23 warmen Sommertagen: Das Festival fühlte sich warm und weich an. Man schien auf beiden Seiten unendlich dankbar, dass die Konzerte, Workshops und Jamsessions stattgefunden haben.
Programm Und dies öffentlicher denn je. Was störte da schon der täglich vierstündige Auf- und Abbau der Pavillons, weil die nicht über Nacht stehen bleiben konnten? Man konnte gemeinsam feiern. Und das Programm »A gutn tog dir, yiddish« kann das richtige Zeichen für die Zukunft sein. Denn es heißt übersetzt »Auf Wiedersehen«.
Im September beginnt bereits das Achava-Festival, und Ende Oktober starten die Jüdisch-Israelischen Kulturtage in Thüringen.