Bonn

Unter einem Dach

Zentralratspräsident Josef Schuster, die Vorsitzende der UpJ Sonja Guentner, Mirjam Kramer, die Vorsitzende der Europäischen Union für progressives Judentum und Rabbiner Henry G. Brandt (v.l.) Foto: Heinz-Peter Katlewski

Zentralratspräsident Josef Schuster hat in seiner Rede zum Auftakt der Jahrestagung der Union progressiver Juden (UpJ) in Bonn am Donnerstagabend die Bedeutung des Pluralismus in der Gesellschaft und der jüdischen Gemeinschaft betont: »Wir schätzen den Pluralismus im Judentum in Deutschland und wissen zugleich, warum wir letztlich an einem Strang ziehen müssen.«

Schuster unterstrich in seinem Grußwort, dass er diese Verschiedenheit am liebsten unter einem Dach sehe, unter dem Dach des Zentralrats der Juden, auch wenn man für ganz unterschiedliche Strömungen des Judentums stehe: »Zuweilen kann Verschiedenheit anstrengend sein. Zuweilen droht sie uns zu überfordern. Doch völlige Gleichheit wäre Stillstand. Eine Religionsgemeinschaft entwickelt sich nicht weiter, wenn sich alle einig sind. Das wäre auch ganz und gar unjüdisch.«

Auch verwies Zentralratspräsident Schuster darauf, dass es für die Außenwelt keinen Unterschied mache, ob man sich dem traditionellen, dem konservativen, dem Reform- oder dem liberalen Judentum zugehörig fühle. Man sei gleichermaßen antisemitischen Klischees oder gar antisemitischen Übergriffen ausgesetzt.

Attentate Eröffnet wurde die 22. Jahrestagung von Sonja Guentner, der Vorsitzenden der UpJ. Sie begrüßte die rund 170 Teilnehmer aus 22 Mitgliedsgemeinden sowie Einheitsgemeinden erstmals in Bonn. In der Öffentlichkeit greife angesichts von Attentaten und Amokläufen nicht nur in Deutschland eine ängstliche Stimmung um sich, die vor allem rechtspopulistischen Vereinfachern in die Hände spiele, griff Guentner in ihrer Eröffnungsrede die aktuellen Attentate von München, Würzburg sowie Ansbach auf.

Für religiös begründeten Terror würden zum Beispiel nicht nur die Gewalttäter selbst verantwortlich gemacht, vielmehr gebe man den Religionen schlechthin in all ihren Ausprägungen Schuld an den Konflikten daheim und in der Welt. Werte wie Vielfalt, Liberalität und Dialogbereitschaft gerieten dabei an den Rand. Es komme deshalb auf jeden einzelnen an, sie zu verteidigen.

Widersprüchliche Gefühle
Den Ängsten widmete sich auch die Münchner Schriftstellerin Lena Gorelik in einer sehr eindringlichen persönlichen Rede, in der sie ihren widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken Ausdruck verlieh, die ihr die vergangenen zwei Wochen mit den Attentaten dem Amoklauf beschert hätten.

Aus England war Mirjam Kramer, die Vorsitzende der Europäischen Union für progressives Judentum, angereist, um an der Tagung teilzunehmen.

Bis Sonntag werden sich die Teilnehmer in deutsch- und russischsprachigen Workshops mit Varianten der Gottesdienstgestaltung, Tora-Auslegungen, religionsgesetzlichen Fragen und politischen Themen beschäftigen. So wird unter anderem der Leiter des Staatsschutzes in Dortmund, Georg Steinert, über Rechtsextremismus und seine Auswirkungen sprechen.

Die Jahrestagung endet am Sonntag mit der Mitgliederversammlung der Union progressiver Juden, zu der nur die gewählten Delegierten der Mitgliedsgemeinden zugelassen sind.

Lesen Sie mehr in unserer nächsten Printausgabe.

Berlin

Hommage an Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024