Zentralratspräsident Josef Schuster hat in seiner Rede zum Auftakt der Jahrestagung der Union progressiver Juden (UpJ) in Bonn am Donnerstagabend die Bedeutung des Pluralismus in der Gesellschaft und der jüdischen Gemeinschaft betont: »Wir schätzen den Pluralismus im Judentum in Deutschland und wissen zugleich, warum wir letztlich an einem Strang ziehen müssen.«
Schuster unterstrich in seinem Grußwort, dass er diese Verschiedenheit am liebsten unter einem Dach sehe, unter dem Dach des Zentralrats der Juden, auch wenn man für ganz unterschiedliche Strömungen des Judentums stehe: »Zuweilen kann Verschiedenheit anstrengend sein. Zuweilen droht sie uns zu überfordern. Doch völlige Gleichheit wäre Stillstand. Eine Religionsgemeinschaft entwickelt sich nicht weiter, wenn sich alle einig sind. Das wäre auch ganz und gar unjüdisch.«
Auch verwies Zentralratspräsident Schuster darauf, dass es für die Außenwelt keinen Unterschied mache, ob man sich dem traditionellen, dem konservativen, dem Reform- oder dem liberalen Judentum zugehörig fühle. Man sei gleichermaßen antisemitischen Klischees oder gar antisemitischen Übergriffen ausgesetzt.
Attentate Eröffnet wurde die 22. Jahrestagung von Sonja Guentner, der Vorsitzenden der UpJ. Sie begrüßte die rund 170 Teilnehmer aus 22 Mitgliedsgemeinden sowie Einheitsgemeinden erstmals in Bonn. In der Öffentlichkeit greife angesichts von Attentaten und Amokläufen nicht nur in Deutschland eine ängstliche Stimmung um sich, die vor allem rechtspopulistischen Vereinfachern in die Hände spiele, griff Guentner in ihrer Eröffnungsrede die aktuellen Attentate von München, Würzburg sowie Ansbach auf.
Für religiös begründeten Terror würden zum Beispiel nicht nur die Gewalttäter selbst verantwortlich gemacht, vielmehr gebe man den Religionen schlechthin in all ihren Ausprägungen Schuld an den Konflikten daheim und in der Welt. Werte wie Vielfalt, Liberalität und Dialogbereitschaft gerieten dabei an den Rand. Es komme deshalb auf jeden einzelnen an, sie zu verteidigen.
Widersprüchliche Gefühle Den Ängsten widmete sich auch die Münchner Schriftstellerin Lena Gorelik in einer sehr eindringlichen persönlichen Rede, in der sie ihren widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken Ausdruck verlieh, die ihr die vergangenen zwei Wochen mit den Attentaten dem Amoklauf beschert hätten.
Aus England war Mirjam Kramer, die Vorsitzende der Europäischen Union für progressives Judentum, angereist, um an der Tagung teilzunehmen.
Bis Sonntag werden sich die Teilnehmer in deutsch- und russischsprachigen Workshops mit Varianten der Gottesdienstgestaltung, Tora-Auslegungen, religionsgesetzlichen Fragen und politischen Themen beschäftigen. So wird unter anderem der Leiter des Staatsschutzes in Dortmund, Georg Steinert, über Rechtsextremismus und seine Auswirkungen sprechen.
Die Jahrestagung endet am Sonntag mit der Mitgliederversammlung der Union progressiver Juden, zu der nur die gewählten Delegierten der Mitgliedsgemeinden zugelassen sind.
Lesen Sie mehr in unserer nächsten Printausgabe.