Mit einer Rede von Daniel Botmann begann der letzte Morgen des vom Zentralrat der Juden organisierten Gemeindetages. »1400 Teilnehmer haben vier Tage lang miteinander diskutiert, gestritten, debattiert, gefeiert, gebetet, gegessen und miteinander Zeit verbracht«, so fasste der Geschäftsführer des Zentralrates das Event zusammen.
»In diesen vier Tagen hat man über verschiedenste Themen gesprochen, aber bei einem waren sich alle einig gewesen: Der 7. Oktober hat für uns alles verändert«, so Botmann. Auf der einen Seite sei dies in Israel der Fall, wo Unsicherheit entstanden sei - durch die Verletzlichkeit und Angreifbarkeit der Heimstätte des jüdischen Volkes.
»Auf der anderen Seite hier in Deutschland - wenn wir sehen, dass Antisemitismus unzumutbare Auswüchse angenommen hat, an Schulen, an Universitäten, Kultureinrichtungen, aber vor allen Dingen auch auf der Straße.« Dort hätten Mobs mit Parolen Hass und Hetze verbreitet und Menschen bedroht.
Verschärfung des Strafrechts
Botmann dankte Justizminister Marco Buschmann, einem der wichtigsten Gäste des vierten Tages, für seine Positionen: »Sie waren es, der sehr früh auch in sozialen Medien sehr klar und unmissverständlich formuliert hat, was verboten ist und was von der Polizei und der Justiz nicht akzeptiert werden könne, was sanktioniert werde und strafrechtlich bewährt sei.«
Dennoch erlebe die jüdische Gemeinschaft seither einen »aggressiven Antisemitismus«. Es werde immer wieder gesagt »Nie wieder ist jetzt!«. Aber manchmal könne man das Gefühl haben, dass dann doch manchmal »Nie wieder ist irgendwann« gelte.
Daniel Botmann stellte in diesem Zusammenhang eine Forderung an die Politik: »Wenn wir es ernst meinen, brauchen wir eine Präzisierung, eine Verschärfung des Strafrechts.« Diese Aussage erhielt viel Applaus der Gemeindetagsteilnehmer im Saal.
Zahnloser Tiger
»Wichtig ist es, den Volksverhetzungsparagrafen anzugehen. Er wirkt manchmal wie ein zahnloser Tiger. Den müssen wir präzisieren, den müssen wir verschärfen«, erklärte der Zentralratsgeschäftsführer.
»Wir sehen seit dem 7. Oktober eine dauerhafte Leugnung des Existenzrechts Israels auf unseren Straßen« Als Beispiel nannte Botmann »From the river to the sea, Palestine will be free«. Aussagen wie diese müssten unter Strafe gestellt werden: »Hier dürfen wir nicht zaudern und hier dürfen wir keine Zeit verlieren.«
Botmann machte klar: »Wer antisemitische Straftaten begeht, muss konsequent bestraft werden - und wer nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat und antisemitische Straftaten begeht, muss ausgewiesen und notfalls abgeschoben werden.«
Bedrohtes Zusammenleben
Marco Buschmann teilte der jüdischen Gemeinschaft mit, er wünschte, die Situation wäre anders: »Ich hätte gerne eine furchtbar langweilige Festrede gehalten. Aber so kann ich diese Rede nicht halten - nicht weil ich es nicht möchte, sondern weil ich sie anders halten muss.«
Der Bundesjustizminister kam auf die am Freitag erfolgte Verhaftung von vier Hamas-Mitgliedern zu sprechen - drei in Berlin und einem in Rotterdam. Dies zeige einmal mehr, dass das Zusammenleben, das auch Motto des Gemeindetages darstellt, bedroht sei.
»Dass da draußen Menschen sind, die nicht zusammenleben wollen, die töten wollen, und die nicht irgendjemanden töten wollen, sondern gezielt Jüdinnen und Juden töten wollen - nicht nur in Israel, sondern auch hier in Europa und auch in Deutschland«, sei klar.
Wachsam und handlungsfähig
»Ich bin unseren Sicherheitsbehörden - und auch den Kollegen in den Niederlanden sehr dankbar, dass wir es geschafft haben, diese Mörder - oder diese Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, wie es dann im Amtsdeutsch heißt - dingfest zu machen«, sagte Buschmann.
»Die Botschaft, die davon ausgeht, ist unmissverständlich: Wer in diesem Land Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden plant oder begeht, der landet vor Gericht. Unsere Behörden sind wachsam, sie sind handlungsfähig. Unser Rechtsstaat ist wehrhaft - und das muss er auch sein. Wir werden alles dafür tun, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland hier in Frieden und Freiheit leben können.«
Genau dies wollten viele Teilnehmer des Gemeindetages hören, denn die Verunsicherung unter Juden in der Bundesrepublik ist in der Tat groß.
Erschreckend und abscheulich
»So wie das Existenzrecht Israels zu unserer Staatsräson gehört, gehört die Sicherheit der Jüdinnen und Juden zu unserer Staatsräson - und zwar nicht, weil sie unter eine Glasglocke gestellt werden, sondern weil sie deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger sind - und weil der Rechtsstaat jeder Mitbürgerin und jedem Mitbürger Freiheit und Sicherheit schuldet. Das ist unser Auftrag, auch in diesen schlimmen Zeiten«, erklärte Marco Buschmann. Alles werde dafür getan.
Es sei eine Schande, dass jüdische Einrichtungen in Deutschland geschützt werden müssten - darunter Schulen, Synagogen »und diese Veranstaltung«. »Diese Schande hat einen Namen - und der Name lautet Antisemitismus.«
Auch erwähnte Buschmann den jüngsten Zwischenfall an der Freien Universität in Berlin, wo Israel-Hasser am Donnerstag einen Hörsaal besetzt hatten: »An einigen Universitäten spielen sich Szenen ab, die man nur als erschreckend und abscheulich bezeichnen kann.«
Meinungsverschiedenheiten mit Polizei
Juden hätten Angst und die Teilnahme am Gemeindeleben nehme ab, sagte der Justizminister. »Eine Mehrheit der Juden fühlt sich im öffentlichen Raum nicht mehr sicher.« Dies sei beschämend. Die Politik und die Ermittlungsbehörden müssten handeln. »Und dies tun sie auch«, versprach Buschmann.
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates, dankte dem Minister. Er erwähnte die Sicherheit während des Gemeindetages und sagte, am ersten Abend habe es »Meinungsverschiedenheiten« mit der Berliner Polizei über das Sicherheitskonzept gegeben, die aber durch ein Telefonat mit dem Innenstaatsekretär hätten gelöst werden können. Schuster dankte den Sicherheits- und Polizeibeamten am Ort der Großveranstaltung.
Der Gemeindetag habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, »an dem wir ihn dringend gebraucht haben«, erklärte der Präsident. Er wünschte »allen« weiterhin Zusammenhalt. »Wir lassen uns nicht unterkriegen«, versprach Schuster.