Nach den Wahlerfolgen der AfD hat Josef Schuster zu einer Demokratie-Debatte aufgerufen. »Das, was wir jetzt brauchen, ist eine Demokratie-Debatte, genauer gesagt: eine Debatte, die Lust macht auf Demokratie«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland am Mittwoch bei den Heidelberger Hochschulreden.
In der Diskussion müsse geklärt werden, welche Voraussetzungen eine Demokratie benötige, und wie sich Veränderungen wie die Globalisierung oder technischer Fortschritt mit der Demokratie vereinen ließen. »Unser Land steht vor einer demokratischen Reifeprüfung«, betonte Schuster.
israel So sorge etwa der wachsende Antisemitismus zunehmend für Verunsicherung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft – Antisemitismus »in verschiedenem Gewand«, wie Schuster sagte. Immer häufiger tarne er sich beispielsweise in überzogener Kritik an Israel oder gar Israel-Feindlichkeit. Wobei der Zentralratspräsident Kritik an der israelischen Regierungspolitik für durchaus legitim hält. »Immer häufiger treffen wir jedoch auf Kritik, die das Existenzrecht Israels infrage stellt oder alle Juden unter Generalverdacht«, sagte er.
Auch auf Antisemitismus unter Rechtsextremen und muslimischen Antisemitismus ging Schuster ein. Er forderte, gerade bei der Integration muslimischer Flüchtlinge und Mitbürger eine intensivere Beschäftigung mit der Zeit zwischen 1933 und 1945. Man müsse deutlich machen, »dass es für Antisemitismus bei uns keine Toleranz gibt«. Der 63-Jährige stellte jedoch auch klar: »Die jüdische Gemeinschaft lehnt jede Form von Islamfeindschaft ab!«
ressentiments Mit dem Erstarken der AfD macht Schuster vor allem eine wachsende Respektlosigkeit gegenüber Minderheiten aus. Mit permanenten Sticheleien gegen Ausländer, Muslime oder Asylbewerber schüre die AfD Ressentiments. »In der jüdischen Gemeinschaft sind wir uns völlig im Klaren: Früher oder später sind auch wir Juden an der Reihe«, sagte er. Sein Rezept dagegen: Man müsse wieder deutlich machen, wie sich unterschiedliche Kulturen gegenseitig befruchtet haben.
Auch die jüdische Gemeinschaft selbst sieht Schuster in der Pflicht, einen Beitrag zur demokratischen Kultur zu leisten. Ein möglicher Weg dafür: das Wissen über das Judentum vermehren. Ebenso sei der interreligiöse Dialog wichtig, um Vorurteile abzubauen.
Schuster appellierte außerdem an die Gesellschaft, ihr Wissen zu nutzen, um rechten Kräften auf allen Ebenen entgegenzuwirken. Denn erst »wenn der Rechtspopulismus in Deutschland später in den Geschichtsbüchern nur als vorübergehendes Phänomen gewertet wird, dann hat Deutschland seine Reifeprüfung bestanden«.