#MeToo – unless you're a jew

»Uns war klar, dass es darum gehen muss«

Sabena Donath

Frau Donath, der »Jewish Women* Empowerment Summit« findet dieses Jahr bereits zum sechsten Mal statt. Welche zentralen Themen und Fragestellungen stehen in diesem Jahr im Vordergrund?
Jedes Jahr stimmen wir als Veranstalterinnen untereinander ab, welches Thema für jüdische Frauen und queere Personen besondere Relevanz hat. In den vergangenen Jahren war es tatsächlich so, dass die Themen durch die weltpolitischen Geschehnisse für uns bestimmt wurden. Dabei richtet sich der Fokus manchmal eher in die jüdische Community hinein, manchmal geht es eher um die Verortung in gesamtgesellschaftlichen Positionen. Dieses Jahr war uns von Anfang an klar, dass es darum gehen wird, welche Auswirkungen der 7. Oktober und die Zeit danach auf jüdische Frauen und queere Personen weltweit haben, deshalb bot sich der Titel »#meetoo unless you’re a jew?« perfekt an. Ein Jahr nach dem verheerenden Massaker halten wir es für unerlässlich, diese Thematik in den Vordergrund zu rücken. Dabei geht es nicht nur um die Anerkennung im Kontext der #MeToo-Bewegung, sondern auch darum, wie antisemitische Gewalt und Diskriminierung in der Öffentlichkeit wahrgenommen und thematisiert werden.

Was hat sich im Selbstverständnis von Jüdinnen geändert?
Am 7. Oktober 2023 führte Antisemitismus zu schrecklichen sexualisierten Massenverbrechen. Seitdem müssen jüdische Frauen nicht nur das Trauma und die Folgen für ihre Sicherheit verarbeiten, sondern auch damit umgehen, dass die gezielte Gewalt gegen sie oft gerechtfertigt, verharmlost oder sogar geleugnet wird. Die Erfahrungen israelischer Frauen wurden kaum beachtet, und Antisemitismus sowie Misogynie werden selbst in akademischen Kreisen nicht ausreichend thematisiert. Jüdische Aktivistinnen und Aktivisten fühlen sich in queerfeministischen und internationalen Diskussionen zunehmend ausgeschlossen und übersehen. Diese Marginalisierung verstärkt das Gefühl, unsichtbar und isoliert zu sein. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland versucht nun, wieder Worte zu finden, um über diese tiefen Wunden zu sprechen. Wir wollen einen sicheren Raum schaffen, in dem jüdische Frauen und nicht binäre Personen ihre Erfahrungen teilen und ihre Stimme gegen die anhaltenden Missstände erheben können.

Welche zentralen Forderungen und Anliegen haben sich aus den bisherigen Erfahrungen der Teilnehmer ergeben?
Uns erreicht vermehrt der Wunsch nach mehr Möglichkeiten zum Austausch und eine Plattform, um über Erfahrungen zu sprechen. Außerdem wollen die Teilnehmerinnen, dass jüdische und diverse Perspektiven stärker in gesellschaftliche Diskussionen einfließen. Um das zu erreichen, könnten wir regelmäßige Netzwerktreffen, Diskussionsrunden und Partnerschaften mit unterstützenden Organisationen weiter ausbauen. Zentrale Ergebnisse werden wir auch maßgeblich in die Arbeit der entstehenden Jüdischen Akademie einfließen lassen.

Wie blicken Sie auf die Anfänge des Summits zurück?
Der »Jewish Women* Empowerment Summit« wird von der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden, der Jüdischen Akademie, der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) und der Jüdischen Studierendenunion (JSUD) Deutschland organisiert. Die Konferenz wurde 2018 von Dalia Grinfeld, der damaligen Präsidentin der JSUD, und Laura Cazés ins Leben gerufen, weil es einen Wunsch nach einer Veranstaltung speziell für jüdische Frauen* gab. Beim Summit haben die Teilnehmer einen sicheren Raum, um sich auszutauschen und die Arbeit von Aktivist*innen und Expert*innen aus Deutschland, Israel und weltweit kennenzulernen. Außerdem werden langfristige Ideen für bildungspolitische, soziale und aktivistische Bereiche besprochen. Die Veranstaltung richtet sich an junge jüdische Frauen und nicht binäre Personen im Alter von 18 bis 40 Jahren, die sich mit jüdisch-feministischen Themen beschäftigen.

Mit der Erziehungswissenschaftlerin und Direktorin der Jüdischen Akademie sprach Johanna Weiss.

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025