Die Fassade des Gemeindehauses in der Tucholskystraße 40 in Berlin-Mitte bröckelt, das »Beth Café« im Erdgeschoss ist aus bautechnischen Gründen geschlossen. Nun ist die Situation der Israelitischen Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel nicht nur baulich problematisch. Vielmehr hat der Senat öffentlich gemacht, dass er seine Zuwendungen vorerst nicht überweisen kann und zusätzlich eine Rückzahlung von rund 204.000 Euro fordert.
Da die Synagogen-Gemeinde keine Rechenschaft über die Nutzung öffentlicher Gelder in den Jahren 2001 bis 2006 ablege, müssten die Zuwendungen zurückgezahlt werden. Und da sie sich mit den Bedingungen weiterer Auszahlungen nicht einverstanden erklärt, erhält sie vorläufig auch keine finanzielle Unterstützung, heißt es.
Die gegen die Entscheidung abgestrebte einstweilige Verfügung der Gemeinde wurde abgelehnt, bestätigt der Sprecher des Verwaltungsgerichtes, Stephan Groscurth. Die vorläufige Einstellung der Zahlung sei rechtens, es gebe keine Not, die Unterstützung sofort zu zahlen.
Finanzierung Die Synagogen-Gemeinde ist eine eigene Körperschaft öffentlichen Rechts, nicht mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin verbunden. Adass Jisroel wurde 1869 gegründet. Nach einem Beschluss der DDR-Regierung 1989 – am 50. Jahrestag der NS-Auflösungsverfügung – begann der Wiederaufbau. Heute hat die Gemeinde nach eigenen Angaben knapp 1.000 Mitglieder. Den jährlichen Haushalt bestreite sie aus Eigenmitteln und den öffentlichen Zuschüssen. Bis maximal 650.000 Euro konnte die Gemeinde pro Jahr beim Senat abrufen.
»Die Gemeinde stellt ihren Finanzbedarf fest, ermittelt dann die Möglichkeiten der Eigenfinanzierung und meldet der Senatsverwaltung den Fehlbedarf, den sie nicht decken kann. Dieser sogenannte Fehlbetrag muss aufgeschlüsselt und im Nachhinein belegt werden wie bei vielen anderen Institutionen und Projekten auch«, erläutert Torsten Wöhlert, Pressesprecher der zuständigen Senatskulturverwaltung, das Verfahren.
Prüfung Von der Gemeinde selbst sei zunächst der Vorschlag gekommen, einen Rechtsanwalt und Notar, »der die Belange einer jüdischen Gemeinde gut kennt«, zu beauftragen, die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel zu garantieren und nachzuweisen. Der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Albert Meyer, sollte diese Aufgabe übernehmen. Nachdem die Gemeinde kurz vor dessen Einsetzung überraschend die Zusammenarbeit mit ihm für beendet erklärte, kam von ihr der Vorschlag, stattdessen externe Wirtschaftprüfer einzusetzen. Doch im Laufe der Ausschreibung wären »zum Schaden der Gemeinde« Interna des Gemeindelebens bekannt geworden, gibt die Kulturverwaltung zu bedenken.
»Es ist eine äußerst unglückliche Situation«, meint Rechtsanwalt Albert Meyer dazu. Der Senat habe sich »absolut korrekt verhalten«.
Parlament Nachdem die Zuwendungen nun in der Folge ausblieben, soll sich die Gemeinde an die Fraktionen der Berliner Abgeordnetenhauses gewandt haben. FDP-Politiker Klaus-Peter Lüdeke hat unter der Überschrift »Israelitische Synagogen-Gemeinde am Ende?« vor der Sommerpause eine Anfrage im Berliner Landesparlament gestellt. Er wollte wissen, wie der Senat die Einstellung der Zahlungen begründet, die es der Gemeinde unmöglich machen, »ihren verfassungsmäßig verbrieften religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen«.
Förderung In seiner Antwort unterstrich Kulturstaatssekretär André Schmitz, dass der Senat sehr wohl den Wiederaufbau jüdischen Gemeindelebens fördere, dieses allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen: »Eine Förderung stößt da an ihre Grenzen, wo öffentliche Gelder nicht ordnungsgemäß verwendet oder mit öffentlichen Geldern unrechtmäßige Zustände aufrechterhalten werden.« Die Gemeinde habe es in der Hand, durch die Wiederherstellung der Förderfähigkeit die bereits bewilligten Mittel abzurufen. Die Prüfung von Büchern, Belegen und sonstigen Geschäftsunterlagen sei gesetzlich vorgesehen.
Reaktion Am Dienstagnachmittag reagierte die Israelitische Synagogen-Gemeinde mit einer schriftlichen Mitteilung. Adass-Jisroel-Geschäftsführer und Vorstandssprecher Mario Offenberg betont darin, dass die Gemeinde stets »eine fristgerechte und ordentliche Abrechnung der Mittelverwendung vorgelegt und niemals eine Prüfung verweigert« habe. »Es werden Fakten entstellt und es wird versucht, die Existenzgefährdung, in die unsere jüdische Gemeinde gebracht wurde, zu kaschieren.«
Im Vorgehen des Senats sieht Offenberg »eine Fortsetzung des alten Kampfes der Kulturbürokratie gegen die Existenz der Gemeinde« und den »Versuch einer Zwangsverwaltung« von Adass Jisroel. Die Gemeinde selbst strebe »nach wie vor eine gütliche und friedliche Einigung mit dem Land Berlin an«.
Diese wünscht man sich auch in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: »Wir sind über den Vorgang nicht informiert worden. Wir hoffen, dass sich die Sache klären lässt und sie zu einem guten Ende kommt«, sagt die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind.