Weimar

Und pflanze einen Apfelbaum

»Sie war mein Herzblatt«, sagt Éva Fahidi-Pusztai über ihre Schwester Gilike, als in Erinnerung an ihre Familie bei schönstem Sonnenschein in Weimar ein Apfelbaum gepflanzt wird.

Bis heute vermisse sie ihre kleine Schwester, sagt die 96-Jährige. Sie erinnere sich an jenen Tag, als sie an der Rampe von Auschwitz getrennt wurden. Damals wusste sie noch nicht, dass sie alleine überleben sollte, auch später die Zwangsarbeit im Außenlager des KZ Buchenwald im hessischen Allendorf (heute Stadtallendorf).

Garten Ab jetzt wird in Erinnerung an ihre Schwester und ihre Eltern ein Apfelbaum wachsen, eine Sorte, die sie noch aus ihrer früheren Heimat kennt. Denn immer wieder hatte Éva Fahidi-Pusztai davon berichtet, dass sie gern an ihre Kindheit, das Leben im ungarischen Debrecen und auch an den Garten ihrer Familie denke. Sie erzählt von den Gerichten, die man zu Hause kochte. Und von einer Apfelsuppe, die es – nach Nelken und Zimt duftend – an warmen Spätsommertagen gab.

»Wie duftet Heimat? Woran erinnert man sich im Alter?«, fragt die Zeitzeugin Éva Fahidi-Pusztai.

Ihre Gedanken waren der Impuls für eine Ausstellung im Erinnerungsort Topf & Söhne in Erfurt mit dem Bogen – hin zu einer alten, vergessenen jüdischen Welt. Wie duftete Heimat? Woran erinnert man sich im Alter? Diese Fragen hat Éva Fahidi-Pusztai mit viel Lebensklugheit, Wärme und innerer Großzügigkeit beantwortet.

Daraus entwickelte der Weimarer Johannes Bock gemeinsam mit Martin Kranz von den Achava-Festspielen die Idee, das inklusive Baumprojekt der Weimarer Lebenshilfe e.V. auf diese Art zu unterstützen. »1000 Buchen« heißt diese Aktion und bedeutet: An jenen Wegen, die bis 1945 die Häftlinge von Weimar kommend hinauf auf den Ettersberg nehmen mussten, werden Bäume gepflanzt.

Nun steht also ein Apfelbaum – ganz in der Nähe eines Kindergartens – an jener Strecke, die auch mit viel Leid verbunden ist.

Zeitzeugen Gleichsam, so betonen die Initiatoren, soll damit in den kommenden Jahrzehnten an geschehenes Unrecht erinnert werden und an jene Menschen, die heute noch letzte Zeitzeugen sind. Éva Fahidi-Pusztai gehört zu den 16 Überlebenden, die in diesem Jahr der Befreiung des Lagers auf dem Ettersberg vor 77 Jahren gedachten.

»Ein Apfelbaum wird alt«, sagt sie scherzhaft. Und sie freue sich, dass es Baumpaten gebe, vor allem auch bald eine Schule, die sich um das Erbe, aber auch den Hintergrund dieser Erinnerung kümmern soll.

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025