Es ist meine Pflicht als Überlebende, für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können», sagt Trude Simonsohn. Das tut sie in Deutschland und speziell in Frankfurt bereits seit Jahrzehnten. Unermüdlich hat sie Schulklassen aufgesucht, vor Studierenden gesprochen und bei Zeitzeugengesprächen von ihrem Schicksal, ihren KZ-Aufenthalten und der Ermordung ihrer Eltern in Dachau und Auschwitz berichtet.
Doch die alte Dame, die viele Jahre Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt war und auch mit Ignatz Bubis zusammenarbeitete, ist heute 94, persönliche Besuche in Schulen fallen schwer. Ihre Freundin Irmgard Heydorn, 1916 geboren, mit der sie oft gemeinsam auftrat, kann das aus gesundheitlichen Gründen schon lange nicht mehr.
Dokumentar «Wie lassen sich jene authentischen Zeugnisse bewahren in einer Zeit, in der wir langsam Abschied nehmen von der Generation der Zeitzeugen des Nationalsozialismus?» Diese Frage hat sich der junge Soziologe und Dokumentarfilmer Adrian Oeser bereits als Schüler in einer Darmstädter Schule gestellt, als er das Duo Simonsohn und Heydorn persönlich kennenlernte.
Eine Begegnung, die ihn prägte. «Ich habe viel von den beiden gelernt. Dass man sich einmischen, diskutieren muss», erzählt der 27-Jährige. Aus dem Treffen mit Simonsohn und Heydorn entstand nicht nur sein Kontakt in den Kibbuz Ma’abarot in Israel und der Film Erhobenen Hauptes, sondern auch 2007 bereits sein erster Interview-Film Eine Ausnahme.
Darin erzählen Trude Simonsohn und Irmgard Heydorn ihre Lebensgeschichten. Die eine vom Überleben, die andere, wie sie schon als 16-Jährige gegen die Nazis und ihre verbrecherische Ideologie kämpfte. Irmgard Heydorn und ihr Mann «waren die ersten Deutschen, die wir trafen, die ›Nein‹ gesagt hatten, und das war unglaublich wichtig für uns», erzählt Simonsohn in den Interviews im Film.
Böckler-Stiftung In dem von der Hans-Böckler-Stiftung, dem Studentischen Projektrat der Universität Frankfurt, der Forschungsstelle NS-Pädagogik und der Bildungsstätte Anne Frank unterstützten Medienprojekt erzählen die beiden Zeitzeuginnen in mehr als 60 Interviewsequenzen von ihrem Leben, ihrer Freundschaft und ihrem politischen Engagement. Adrian Oeser hat die Videos mit persönlichen Fotos der Zeitzeuginnen und Texten zum historischen Kontext, die angeklickt werden können, ergänzt.
Trude Simonsohns und Irmgard Heydorns Leben will der Soziologe für künftige Generationen, die die beiden nicht mehr persönlich kennenlernen können, bewahren. «Und zwar in einer Form, die Jugendliche anspricht», betont er – frei zugänglich und interaktiv auf einer Webseite im Internet sowie mit einer DVD für den Schulunterricht. Meron Mendel, Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, wo das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, bezeichnet die Arbeit des jungen Filmemachers denn auch als innovativ und «als einen enorm wichtigen Beitrag für das Erinnern an den Holocaust und die Vermittlung für Jugendliche».
Zunächst konnten die beiden Freundinnen wenig mit einer Webseite anfangen, erzählt Oeser, «aber sie waren dann begeistert, als sie gesehen haben, dass sich das jetzt jeder anschauen kann». Bei der Vorstellung in der Anne Frank Bildungsstätte sagt Trude Simonsohn lachend: «Das hast du gut gemacht. Adrian. Wir erzählen in deinem Film genau so, wie wir es erzählt haben.»
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