Erzabtei St. Ottilien

Überleben hinter Klostermauern

Installation im Jüdischen Museum Foto: Marina Maisel

Ein Star gibt sich die Ehre. Geigenvirtuosin Anne-Sophie Mutter wird am 23. September zu Gast im Benediktinerkloster St. Ottilien sein. Dort geht an diesem Tag eine Veranstaltungsreihe zu Ende, die seit dem Frühjahr auf unterschiedliche Weise die jüdische Geschichte des Klosters beleuchtet.

Drei Jahre lang, von 1945 bis 1948, war das katholische Kloster die unfreiwillige »Heimat« von mehr als 5000 jüdischen Holocaust-Überlebenden aus Osteuropa, sogenannte Displaced Persons. Hinter den hier gestrandeten Menschen lag das Grauen, vor ihnen eine völlig ungewisse Zukunft. Mit diesem zum Teil noch unbekannten Kapitel beschäftigt sich die Veranstaltungsreihe.

Jakobsplatz Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, der Erzabtei St. Ottilien und des Jüdischen Museums München. Begleitet wird es von Arbeiten des jüdischen Künstlers Benyamin Reich. Eine Installation mit Arbeiten von ihm ist bis zum 23. September im Jüdischen Museum am Jakobsplatz zu sehen.

Ein militärisches Fiasko unmittelbar vor Kriegsende war der Auslöser einer hochkomplexen Situation. Die alliierten Streitkräfte hatten versehentlich einen Zug bombardiert, in dem jüdische KZ-Häftlinge aus den Kauferinger Außenlagern eingesperrt waren. Die verletzten Überlebenden kamen nach St. Ottilien, das die Nazis 1941 beschlagnahmt und zu einem Militärlazarett umfunktioniert hatten. Zu diesem Zeitpunkt, Ende April 1945, wurden dort auch etwa 1000 deutsche Soldaten versorgt.

Juden und deutsche Soldaten unter einem Dach – eine schwierige Situation, die noch komplizierter wurde, als im Sommer 1945 das beschlagnahmte Kloster an den Benediktinerorden zurückgegeben wurde und die Mönche aus der Zwangsarbeit oder vom Militärdienst zurückkehrten.

Militärverwaltung Im offiziellen Begleittext zur Veranstaltungsreihe wird die damals schwierige Situation beschrieben: »Der Wohnraum war knapp, die Ausübung der Religion erschwert und Auseinandersetzungen mit der amerikanischen Militärverwaltung, der jüdischen Selbstverwaltung sowie den internationalen Hilfsorganisationen nahezu unvermeidlich.«

St. Ottilien nahm eine erstaunliche Entwicklung. Nach und nach entstanden ein jüdisches Krankenhaus und eine eigene Geburtsstation. Über 400 jüdische Kinder kamen in den drei Nachkriegsjahren dort zur Welt. Hinzu kamen bald jüdische Alltagsstrukturen: eine Betstube, ein Kindergarten eine Talmudschule, koschere Küche, Sport, berufsbildende Kurse, politische Parteien.

Das Musikorchester, das sich im klösterlichen DP-Lager zusammengefunden hatte, schaffte es sogar zu großer Bekanntheit. Die Musiker traten bald in den DP-Lagern der gesamten amerikanischen Besatzungszone auf. Eine ganz andere Ebene beschritt Dr. Zalman Grinberg, der erste medizinische Leiter des Krankenhauses. Er avancierte zu einer zentralen Figur der jüdischen Selbstverwaltung in Bayern.

Anmeldung Ein weiterer Rundgang durch das Klostergelände, verbunden mit einer Ausstellung über das jüdische Kapitel, findet am 2. September (14 Uhr) statt. Sie ist kostenlos, aber eine Anmeldung unter 089/28 85 16 423 ist erforderlich.

Anne-Sophie Mutter ist am 23. September (15 Uhr) in St. Ottilien zu Gast – Karten gibt es auf der Website www.ammerseeserenade.de. In dieser Abschlussveranstaltung wird an das Befreiungskonzert erinnert, das von den Überlebenden gespielt wurde.

Chanukka-Umfrage

»Wir brauchen das Licht«

Was für Lieblingssymbole haben Gemeindemitglieder? Und wie verbringen Familien das Fest, wenn ein Partner Weihnachten feiern möchte? Wir haben nachgefragt

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt  25.12.2024

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024