Es gibt die Genussleser, die Ich-brauch-mal-einen-schnellen-Überblick-Leser, die Bildschirm-Leser und die Anhänger der Papierversion: Die Jüdische Allgemeine wird von ihren Lesern auf ganz unterschiedliche Weise genutzt und aus vielerlei Gründen geschätzt. Und sie wird in fast allen Lebenslagen gelesen: im Büro, gemütlich beim Frühstück oder im wahrsten Sinne des Wortes im Flug.
Pava Raibstein, die Geschäftsführerin des jüdischen Kinderhilfswerks »Kinder- und Jugend-Aliyah« freut sich, dass sie die Jüdische Allgemeine in den Maschinen der EL AL auf Flügen nach Israel bekommt. Denn wenn sie im Flieger sitzt, hat sie endlich einmal Zeit, in Ruhe ins Blatt zu schauen. Im Alltag muss ein Überblick auf die Schnelle reichen. Pava Raibstein bekommt die Zeitung per Abo in ihr Frankfurter Büro geliefert. Dort liest sie die erste Seite mit Leitartikel und Kommentar. Sie will wissen: Was tut sich in der jüdischen Welt, und wie wird das internationale Geschehen aus jüdischer Sicht betrachtet?
Austausch »Die Kommentare liefern mir dazu reflektierte Positionen.« Auch nach Berichten über deutsch-israelische Projekte hält sie Ausschau, da sich ihr Verein selbst für einen Austausch zwischen jungen Deutschen und Israelis engagiert. »Die jüdisch-religiösen Themen finde ich interessant, aber ich habe nicht die Muße, sie zu lesen«, räumt sie ein. Die Berichterstattung aus den jüdischen Gemeinden ist für sie weniger spannend: Um zu wissen, was zuhause in Frankfurt am Main los ist, liest sie das Blatt der jüdischen Gemeinde.
Das sieht Michael Fürst, der Gemeinde- und Landesvorsitzende der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, ähnlich. Die Beiträge über jüdische Gemeinden, zu denen er keine Beziehung hat, reizen ihn wenig. Er liest überwiegend die politischen Artikel mit jüdischem Bezug. Für ihn sei das eine gute Ergänzung zur Tagespresse und zu Wochenmagazinen. Schon häufiger hat Fürst selbst Kommentare für die Jüdische Allgemeine geschrieben oder sich in Leserbriefen zu Wort gemeldet.
Alexej Tarchis, Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Saar, teilt die Ansicht von Raibstein und Fürst nicht. Er stürzt sich jeden Donnerstag als Erstes auf die Rubrik »Unsere Woche« und liest alles über die jüdischen Gemeinden in Deutschland. Erst dann schaut er den Rest der Wochenzeitung nach Themen durch, die ihn interessieren. »Ich finde es gut, dass die Zeitung einen Gesamtüberblick über Deutschland, Israel und die Welt gibt.« Während der Mittdreißiger in der Gemeinde die Papierversion liest, schaut er zu Hause auch schon mal online in die Jüdische Allgemeine.
Bildschirm-Leser Rabbiner Zsolt Balla aus Leipzig ist hingegen ein überzeugter Bildschirm-Leser. So spart er sich die Suche nach einem Kiosk, der die Jüdische Allgemeine verkauft. Der 37-Jährige will wissen, welche Artikel seine Freunde lesen und auf Facebook teilen. In diesem Zusammenhang hätte der Rabbi einen Verbesserungsvorschlag: »Es wäre gut, wenn der Facebook-Link optimiert würde.« Ihn persönlich interessieren Politik und Religion am meisten. »Es freut mich, dass in der Zeitung alle Meinungen vertreten sind. Man bemüht sich sehr um Ausgewogenheit«, findet er.
Auch Gunda Ulbricht, Referentin bei Hatikva, der Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen, liest die Zeitung immer online. Und zwar selektiv: Die Dresdnerin hat den Browser so eingestellt, dass er nur die Artikel über ihre Stadt auswählt.
Michael Rosow aus Düsseldorf ist ebenfalls ein Anhänger der Online-Version. Der Jurist meint: »Im Internet ist die Berichterstattung schneller. Berichte über Veranstaltungen sind oft schon am selben Tag online, während man auf die gedruckte Version einige Tage warten muss.« Der Rechtsanwalt liest querbeet, vorzugsweise Artikel zu speziell jüdischen Themen, die nicht in der allgemeinen Tagespresse behandelt werden. »Ich lese die Zeitung, weil sie mich gut und ausgewogen darüber informiert, was in der jüdischen Welt passiert.« Die Zeit reiche oft nur für einen schnellen Überblick in der Mittagspause.
Braunschweigs Gemeindevorsitzende Renate Wagner-Redding hat unter der Woche wenig Zeit für die Lektüre. »Ich freue mich immer auf Donnerstag, wenn die Zeitung in der Gemeinde ankommt. Dann blättere ich schnell mal durch«, erzählt sie. Sie liest die erste Seite, und falls die Zeit reicht, nimmt sie sich auch noch die Berichte aus den Gemeinden vor. Am Sonntagmorgen folgt Teil zwei der Lektüre: »Dann ist die Jüdische Allgemeine meine Frühstückslektüre, und ich lese sie von vorne bis hinten – oder vielmehr: Ich fange hinten an und lese zuerst den Comic. Und dann arbeite ich mich von der ersten Seite an durch.«
Die Gemeindevorsitzende liest grundsätzlich die gedruckte Ausgabe, denn: »Ich bin kein großer Freund von zu viel Technik.« Sie weiß, dass die russischsprachigen Zuwanderer unter den Gemeindemitgliedern die Jüdische Allgemeine oft nicht lesen. Deshalb lässt sie Artikel, die von ganz besonderem Interesse für ihre Gemeindemitglieder sind, manchmal von einer Mitarbeiterin übersetzen.
Jüdische Welt Das Hamburger Ehepaar Katharina und Philipp Stricharz hat die Jüdische Allgemeine schon seit vielen Jahren abonniert. »Jeden Donnerstag freue ich mich auf die Neuigkeiten aus der ›Jüdischen Welt‹. Besonders liebe ich die Rubrik ›Auf die Schnelle‹, das lese ich immer zuerst«, erzählt Katharina Stricharz. Dort erfahre sie die interessanten kleinen »Splitter« aus Israel, die in den deutschen Medien keine Beachtung fänden: So hole ich mir mein kleines Stück Israel nach Hause.«
Die Kinder der Familie wollen sofort »Jewy Louis« lesen, »auch wenn ihnen der Witz nicht immer gleich klar wird«, gesteht Stricharz, die sich für die Rezepte interessiert und so manches schon nachgekocht hat. Zu Schawuot zum Beispiel hatte sie einen Käsekuchen à la Jüdische Allgemeine gebacken. Aber was Stricharz, die seit einiger Zeit dabei ist, die WIZO-Gruppe in Hamburg neu zu beleben, am meisten interessiert, sind natürlich die Nachrichten von ihren WIZO-Chawerot aus ganz Deutschland. Besonders, als sie ihre Hamburger in der Zeitung entdeckte: »Dass es einen so großen Artikel in der JA über unseren gelungenen ersten Basar nach der Neugründung der WIZO-Gruppe in Hamburg gab, war für uns natürlich auch eine tolle Bestätigung unserer Arbeit.«
Eine Mischung aus professionellem und privatem Interesse bewegt Barbara Guggenheim zur Lektüre der Zeitung. Guggenheim organisiert die Autoren- und Filmveranstaltungen des »Jüdischen Salon« im Café Leonar im Hamburger Grindelviertel. Der Kulturteil der Jüdischen Allgemeinen sei eine wahre Fundgrube, »denn in meiner Familie gibt es die schöne Tradition, sich zu den jüdischen Feiertagen Geschichten vorzulesen, die sich literarisch mit dem aktuellen Festtag beschäftigen«, erzählt die Hamburgerin.
Zu diesen Anlässen stöbert Guggenheim dann in der Allgemeinen: »Dort sind solche Feiertagsgeschichten häufig zu finden.« Sie hofft sehr, dass sie mithilfe der Zeitung diese Familientradition fortsetzen kann: »Das ist wunderbar und soll bitte immer so weitergehen.« Vor allem aber wünscht sie zum Jubiläum der Zeitung und ihren Machern von Herzen: »Mazel tov und bleibt gesund!«
Israel und Religion In Augsburg liest Josef Strzegowski, der sich in der bayrischen Gemeinde um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, die Zeitung aus drei Gründen: »Die Jüdische Allgemeine ist eine Wochenzeitung, die immer intensiv auf die politische Lage in Deutschland eingeht, dazu berichtet sie Genaueres aus Israel und erklärt Religiöses mit kulturellem Bezug.«
Feedback Für Strzegowski, der ursprünglich aus dem polnischen Nowa Roda stammt, ist es besonders wichtig, zum weltpolitischen Geschehen ein reflektiertes Feedback zu bekommen. Beispielsweise auch zum wiederaufkeimenden Antisemitismus hierzulande oder zu den aktuellen Themen in Israel, wo er gerne mehr erfahren würde, weil er sich um die Verwandten sorge. »Es hilft einfach zu wissen, wie der Stand der Dinge im jüdischen Gesellschaftsleben ist.«
Mit Vorliebe vertieft sich der passionierte Klezmermusiker in die Seiten, auf denen kulturelle Themen mit jüdischem Bezug zu finden sind. »Persönlich lese ich aber auch den religiösen Teil sehr gerne«, sagt Strzegowski.
Ein wenig Raum für Verbesserung sieht er dennoch: »Manches ist thematisch nicht ganz ausgereizt«, findet der Musiker und wünscht sich, dass die Jüdische Allgemeine sich das eine oder andere Mal schonungsloser an ein Thema heranwagt. Doch insgesamt schätze er die Zeitung sehr. »Die Jüdische Allgemeine ist schon sehr lange ein ganz wichtiger Teil des jüdischen Lebens in Deutschland. Judentum ohne diese Zeitung kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen.«