Mit großem Bedauern haben die Jüdische Kultusgemeinde und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Koblenz die Entscheidung des Stadtrates vom vergangenen Donnerstagabend aufgenommen, das Gebäudeensemble im Bürresheimer Hof am Florinsmarkt an einen privaten Investor zu verkaufen. Von 1851 bis zum Novemberpogrom 1938 war hier die Synagoge untergebracht. Die Mehrheit von 75 Prozent im Stadtrat zugunsten des Privatkäufers bezeichnete der Vorsitzende der GCJZ, Hans-Werner Schlenzig, als »beschämend«. Das Gebäude in der Innenstadt hatte 20 Jahre lang leer gestanden und soll nun verkauft werden.
historischer Standort »Wir wollen an den historischen Standort zurück, um die Tradition zu wahren«, so Gemeindevorsitzender Heinz Kahn. »Das sind wir den Toten schuldig.« Die Gemeinde hatte sich deshalb sehr darum bemüht, ihr altes Gebäude zurückzubekommen. Kahn hatte für 5000 Euro ein Konzept zum Umbau des Gebäudes erarbeiten lassen und Bürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD) in den vergangenen Wochen und Monaten fertige Finanzierungs- und Umbaupläne vorgelegt.
Von den veranschlagten vier Millionen Euro für den Erwerb und Umbau sollte je ein Drittel von der Jüdischen Gemeinde, von der Stadt und vom Land kommen. Bei der Feier zu seinem 90. Geburtstag 2012 hatte ihm noch Ministerpräsident Kurt Beck die »finanzielle Unterstützung des Landes« zugesagt, betonte Kahn, der sich nun tief enttäuscht über den Entschluss der Stadt zeigt. Die Entscheidung des Stadtrats sei ein »trauriges Ergebnis für die jüdische Gemeinde«, so der 91-Jährige.
Finanzierung Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig hatte sich jedoch mit dem Finanzkonzept nicht anfreunden können. Es sei »nicht vertrauenerweckend« und habe keine »Konzeptreife«. Auf ein »Vabanquespiel« könne er sich nicht einlassen, hieß es aus dem Rathaus.
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit moniert, die Stadtleitung sei zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, »die besondere historische Bedeutung des ehemaligen Synagogengebäudes bei der Frage der Veräußerung ernsthaft in Betracht zu ziehen«.
In Briefen und Gesprächen bekundete Gemeindevorsitzender Heinz Kahn das Interesse der Gemeinde. Zumal dem Rabbiner dann auch endlich ein akzeptabler Wohnraum für seine Aufenthalte in der Stadt am Deutschen Eck zur Verfügung stünde. Derzeit muss er an den Wochenenden, an denen er hier amtiert, im Keller des Gemeindehauses in der Schlachthofstraße kampieren.
Leserbriefe Die Debatte um den Verkauf des Gebäudes im Bürresheimer Hof war lange und emotional geführt worden und gipfelte in der Aussage, dass eine Rückkehr der Gemeinde in die Innenstadt Nazis und Islamisten anziehen würde und dadurch eine Belastung für die Nachbarn darstelle. In Leserbriefen machten sich Bürger Luft. Während einige in der Rhein-Zeitung betonten, dass die Stadt mit dem Privatverkauf eine Chance zur Wiedergutmachung vergebe, warfen andere den Befürwortern für den Verkauf an die Gemeinde vor, mit dem »Holocaust-Bonus« Populismus zu betreiben.
Der evangelischen Superintendent Rolf Stahl, der sich gemeinsam mit dem rheinischen Präses Manfred Rekowski für das Anliegen der jüdischen Gemeinde eingesetzt hatte, zeigte sich von der Stadtratsentscheidung enttäuscht. »Ich erwarte, dass mit der jüdischen Gemeinde eine Lösung für ein Gemeindezentrum mit Synagoge gesucht und gefunden wird«, sagte Stahl.
In den vergangenen 20 Jahren ist die jüdische Gemeinde durch die Zuwanderung russischsprachiger Juden so stark angewachsen, dass sie ein größeres Gebäude, das auch zentral liegt, dringend benötigt hätte. Sie hat heute wieder rund 1000 Mitglieder.