ZWST

Trauma und Therapie

Logo der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland Foto: dpa

Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) hat am Sonntag die internationale Konferenz »Shoah – Flucht – Migration. Multiple Traumatisierungsprozesse und ihre Auswirkungen« in Frankfurt eröffnet.

Mit dieser Veranstaltung will die ZWST im Jahr ihres 100-jährigen Bestehens an eine Reihe von Kongressen anknüpfen, die sich seit 2008 mit dem Thema Traumatisierung durch die Schoa und Möglichkeiten und Formen der Therapie und psychosozialen Arbeit mit Überlebenden auseinandersetzen. Gefördert wird die viertägige Konferenz von der Stiftung »Erinnerung. Verantwortung. Zukunft« und der »Aktion Mensch«.

Feinjustierung Dieses Mal, bei der sechsten internationalen Konferenz zum Thema, solle es um eine »Feinjustierung« gehen, sagte Doron Kiesel, emeritierter Professor für Interkulturelle Pädagogik der Universität Erfurt und wissenschaftlicher Leiter der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden, in seiner Begrüßung.

Zusammen mit Noemi Staszewski, Projektleiterin für psychosoziale Programme innerhalb der ZWST, hat Kiesel die Konzeption zur sechsten internationalen Konferenz entwickelt. »Trauma ist nicht gleich Trauma. Auch die Folgen einer Traumatisierung sind nicht bei jedem gleich. Daher müssen wir genau hinsehen und zwischen den verschiedenen Schicksalen differenzieren lernen, damit wir jedem Einzelnen gerecht werden können«, erklärte der Sozialwissenschaftler.

Gleichzeitig dämpfte er jeden allzu großen Optimismus: »Die erlittenen Verletzungen können wir nicht heilen, sondern nur lindern, und wir können versuchen, die Lebensfreude zu erhalten, um ein Abgleiten in die Depression zu verhindern.«

Kiesel kündigte außerdem an, dass die Inhalte, die auf der Konferenz erarbeitet werden sollen, »im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Forschung und praxisorientierter Reflexion« stünden. »Uns ist wichtig, dass Sie Ihre Erfahrungen und Kompetenzen in die hier stattfindende Auseinandersetzung einbringen«, appellierte er an die rund 200 Teilnehmer aus 15 Ländern.

Pflegeheime Der Vorstandsvorsitzende der ZWST, Abraham Lehrer, verwies darauf, dass in den jüdischen Senioren- und Pflegeheimen viele Bewohner mit der Rückkehr ihrer Traumata und einem Aufbrechen ihrer jahrzehntelang eingeübten Bewältigungsstrategien zu kämpfen hätten. Die Betreuung dieser Menschen verlange den Mitarbeitern in den Einrichtungen Enormes ab. Sie auf diese Aufgabe vorzubereiten, ist ein Ziel der Konferenz.

»Uns bleibt nicht viel Zeit, die Lücken in unserem Verständnis von Traumatisierungsprozessen zu verstehen«, warnte Lehrer. Gleichzeitig zeigte er sich erstaunt darüber, dass »selbst 70 Jahre nach der Schoa immer noch neue Erkenntnisse zu diesem Thema gewonnen« würden.

Bis Mittwoch werden sich die Teilnehmer in verschiedenen Workshops intensiv mit allen Fragen und Aspekten zum Thema Migration und Traumatisierung durch die Schoa beschäftigen. Dazu gehören pflegewissenschaftliche Erkenntnisse genauso wie die Diskussion darüber, ob die Möglichkeiten, erlittene Traumata zu bewältigen, in Wahrheit nicht begrenzt sind.

Podiumsgespräche mit Zeitzeugen, darunter Rabbiner William Wolff, vermitteln zudem persönlich gehaltene Einsichten darüber, was Weiterleben nach der Schoa bedeutete, und wie alle, die davongekommen waren, lernen mussten, ihren Lebensentwurf zu gestalten, weil das Wiederanknüpfen an ein Vorher unmöglich geworden war.

Lesen Sie mehr in der kommenden Ausgabe am Donnerstag.

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025

München

»Das ganz Andere fremder Welten«

Die Volkshochschule und das IKG-Kulturzentrum gedachten des 130. Geburtstags der Dichterin Gertrud Kolmar

von Helen Richter  05.01.2025

Feier

Dem Herzen folgen

Die IKG München und Oberbayern bedankt sich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement

von Luis Gruhler  05.01.2025