Rabbiner Henry G. Brandt ist tot. Der ehemalige jüdische Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit starb am Montag im Alter von 94 Jahren. Das teilte der ARK-Vorsitzende Rabbiner Andreas Nachama am Montagabend mit.
BIOGRAFIE Henry G. Brandt wurde am 25. September 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. 1939 emigrierte er mit seiner Familie nach Tel Aviv. Er war aktiv in der jüdischen Untergrundorganisation Palmach und diente im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 als Offizier in der israelischen Marine. Anschließend studierte er in Belfast Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als Marktanalytiker in der Autoindustrie.
Im Alter von 30 Jahren nahm Henry G. Brandt 1957 ein Rabbinatsstudium am Leo Baeck College in London auf. Nach seiner Ordination wurde er 1961 Rabbiner einer Reformgemeinde in Leeds. Ab 1971 amtierte er als Rabbiner unter anderem in Genf, Zürich und Göteborg. 1983 kehrte er nach Deutschland zurück und trug in vielen Funktionen zum Wiederaufbau des liberalen jüdischen Gemeindelebens in Deutschland bei.
FUNKTIONEN Von 1983 bis 1995 war Henry G. Brandt Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Von 1995 bis 2004 fungierte Brandt als Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe. Von 2004 bis zum März 2019 war er Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Als Amtsrabbiner betreute er auch die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld.
Rabbiner Brandt war von 1985 bis 2016 jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. 14 Jahre leitete er die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK) - seit ihrer Gründung 2005 bis 2019.
Er sei überzeugt, »dass das Gespräch, die Konfrontation mit Unterschieden und Geschichte die beste Waffe gegen Antisemitismus und Vorurteile ist, besser als der erhobene Zeigefinger« - das sagte Brandt, der immer um Ausgleich bemüht war, aber auch Probleme realistisch benannte, 2019 in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen: »Der Antisemitismus zeigt wieder seine Fratze. Umso notwendiger sind das Gespräch und die gemeinsame Arbeit, dagegen anzukämpfen.«
DIALOG Im März 2021 nahm Brandt an den »Augsburger Friedensgesprächen« teil, die wegen der Corona-Pandemie online abgehalten wurden. Bei dem Gespräch, an dem auch Zentralratspräsident Josef Schuster, Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der Psychologe und Autor Ahmad Mansour zugeschaltet wurden, ging es um den interreligiösen Dialog.
Bei der Veranstaltung erklärte Rabbiner Brandt, Parallelgesellschaften im Sinne von ferngesteuerten Religionsgemeinschaften dürfe es in Deutschland nicht geben. Wer in ein Land einwandere, müsse sein Leben nach den Werten dieses Landes ausrichten. Leider habe die Zuwanderungspolitik in dieser Hinsicht »erbärmlich versagt«.
Brandt regte zudem an, in Lehrplänen jüdischer Schulen auch Informationen über den Islam und das Christentum aufzunehmen: »Wir brauchen Gesprächspartner und Dialogpartner. Leute, die wenig von der Sache verstehen, sind immer schlechte Advokaten.« ag
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