Musik

Trauer teilen

Bratschist Amihai Grosz von den Berliner Philharmonikern über seinen nach Gaza entführten Neffen

von Christine Schmitt  03.11.2023 12:00 Uhr

Bratscher Amihai Grosz Foto: IMAGO/Thomas Müller

Bratschist Amihai Grosz von den Berliner Philharmonikern über seinen nach Gaza entführten Neffen

von Christine Schmitt  03.11.2023 12:00 Uhr

Herr Grosz, Sie sind Solobratschist bei den Berliner Philharmonikern, Israeli und haben in Weimar nun mit anderen israelischen Musikern spontan ein Solidaritätskonzert für Magen David Adom gegeben. Wie wurde die Idee aufgenommen?
Es war sehr emotional und etwas ganz Besonderes. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, in solch einer Situation zu helfen, dann mache ich das sofort und ohne zu zögern. Für mich war diese Aktion natürlich auch sehr eng mit meiner Familie verbunden. Denn auch mein Neffe ist von der Hamas gekidnappt worden. So hatte das Ganze leider auch einen traurigen Aspekt für mich.

War das Konzert gut besucht?
Überraschenderweise ja. Wir hatten ein ausverkauftes Haus, obwohl das Konzert sehr kurzfristig auf die Beine gestellt wurde. Es war beeindruckend, dass so viele Menschen erschienen. Und die Atmosphäre war einfach unglaublich intensiv. Es ist wichtig, in solchen schrecklichen Zeiten zusammenzustehen und unsere Trauer zu teilen.

Kann Musik in solchen Momenten Trost spenden?
In gewisser Weise denke ich schon, dass das funktioniert. In Situationen wie jetzt müssen wir lernen, von einem Moment zum anderen zu leben. Andererseits sollte man auch in die Zukunft blicken. Wissen Sie, in dieser hässlichen Zeit, in der wir uns jetzt befinden, bietet Musik die Möglichkeit, Schönheit zu erfahren. Dann ist es sehr wichtig, einfach nur zu spielen und Konzerte zu geben. Aber nicht, weil Musik beruhigend wirkt, sondern Ablenkung bietet. Man kann einfach nur zuhören – und hört etwas anderes als die schrecklichen Nachrichten.

Ihr 16-jähriger Neffe Amit Shani wurde aus dem Kibbuz Be’eri entführt. Gibt es irgendwelche Lebenszeichen von ihm?
Nein, wir wissen nichts. Die Terroristen haben am 7. Oktober alle Männer im Kibbuz ergriffen und in den Gazastreifen verschleppt. Amit konnte seiner Mutter noch mitteilen, dass es ihm gut gehe. Sie solle seine Schwester für ihn in den Arm nehmen. Er ist so mutig und stark. Eigentlich wollte er an diesem Tag Skateboard fahren. Die Armee hat nach ein paar Tagen bestätigt, dass er sich unter den Geiseln im Gazastreifen befindet. In den ersten Tagen war ich still und sprachlos. Unsere Herzen sind gebrochen.

Wie geht es seinen Eltern?
In den vergangenen Wochen gab es keine neuen Entwicklungen für sie. Es ist ein einziger Albtraum – für sie, für uns alle. Dafür gibt es keine Worte. Nicht nur, weil ein Ende nicht in Sicht ist. Wir sind von dem Massaker einfach traumatisiert. Es kann keinen Trost geben. Da ist nichts. Wir leben derzeit in der Hölle. Ich versuche zu helfen, wo ich kann, indem ich einfach in den sozialen Medien aktiv bin und immer wieder versuche, auf die Situation aufmerksam zu machen.

Und die Freilassung von vier Geiseln, gibt die Hoffnung?
Ich denke schon. Eigentlich kann ich aber nichts mehr dazu sagen. Wir werden erst Gewissheit haben und uns wieder sicher fühlen, wenn alle Geiseln zurück sind. Hoffentlich bald.

Auf Ihrer Facebook-Seite haben Sie ein Werk von Ödön Pártos hochgeladen, das er 1946 komponiert hat. »Yizkor for Strings« heißt es. Warum?
Es wirkt sehr traditionell und hat eine starke Verbindung zur jüdischen Kultur – und es erinnert an den Holocaust. Jetzt passt es wieder in unser Leben. Wissen Sie, wir sollten niemals vergessen, das Böse zu bekämpfen. Dieses Stück ist sehr emotional. Es liegt mir sehr am Herzen. Ich habe es viele Male gespielt, und es wird reichlich Aufmerksamkeit erzeugen. Ich bin Musiker, das ist meine Art, mich einzubringen. Und ich werde weitermachen.

Mit dem Musiker der Berliner Philharmoniker sprach Christine Schmitt.

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