Der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden und die Jüdische Gemeinde in Chemnitz trauern um ihren langjährigen Vorstandsvorsitzenden Siegmund Rotstein.
Mensch »Wir verlieren einen engagierten und warmherzigen Menschen, der sich zeit seines Lebens unermüdlich für die jüdische Gemeinschaft eingesetzt hat. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren«, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.
Nora Goldenbogen, Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, erinnerte bei der Beisetzung am vergangenen Dienstag an Siegmund Rotstein als »immer aufgeschlossenen, freundlichen und mitfühlenden Gesprächspartner und Ratgeber – und selbstbewussten Juden«.
Er habe es »als seine persönliche Verantwortung betrachtet, sich mit aller Kraft für den Erhalt und die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Sachsen einzusetzen«.
Verfolgung Geboren wurde Rotstein am 30. November 1925 in einer kinderreichen Familie in der sächsischen Industriestadt. Schon bald wurden »Not und Feindschaft«, wie es Rabbiner Hugo Fuchs beschrieb, im Leben der Chemnitzer Juden unerträglich. Der Nationalsozialismus bedeutete für die staatenlose Familie Verfolgung und Ausweisung.
Als Siegmund Rotstein Ende November 1938 Barmizwa werden sollte, konnte die Feier nicht stattfinden, weil die Synagoge gesprengt worden war. Sein Vater Jankel Rotstein verhungerte im September 1941 im Warschauer Ghetto. Zu dieser Zeit befand sich Siegmund Rotstein auf Hachschara im Landgut Ahrensdorf und kehrte 1942 nach Chemnitz zurück, wo die Mutter Liddy und seine vier Geschwister auf ihn warteten.
Am 13. Februar 1945 wurde Siegmund Rotstein nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte. Noch im Juni kehrte er in seine Heimatstadt zurück. All dies prägte sein Bewusstsein und seine zutiefst humanistische Weltanschauung nachhaltig.
Am 7. September 1945 zählte er zu den 18 Männern und Frauen, die die jüdische Gemeinde in Chemnitz wiedergründeten. Er erlernte den Beruf des Herrenschneiders und heiratete 1950 Marianne Bräuer, 1952 wurde Tochter Marion geboren. Von 1966 bis 2006 leitete Siegmund Rotstein als Vorsitzender die Jüdische Gemeinde Chemnitz.
DDR 1988 wurde er Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR und zum Präsidenten des Internationalen Kuratoriums »Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum« berufen.
Mit der Wiedervereinigung wurde Rotstein im August 1990 zum Vorsitzenden des neu gebildeten Landesverbandes Sachsen-Thüringen gewählt und in das Direktorium des Zentralrats der Juden delegiert. Mit der Bildung des Landesverbandes Sachsen beteiligte sich Rotstein maßgeblich an dessen weiterem Aufbau.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion setzte sich Rotstein von Beginn an für die Integration der Zuwanderer ein. Er habe sie als »Wunder« bezeichnet, betonte Goldenbogen. »Er betrachtete diese Zuwanderung als die reale Möglichkeit, die kleinen jüdischen Gemeinden im Osten Deutschlands zu erhalten und vor allem zu stärken«, so Goldenbogen. Gleichzeitig bemühte er sich um den Bau der Neuen Synagoge.
Gerechtigkeit Im Mai 2002 konnte die Jüdische Gemeinde Chemnitz, die 1989 nur noch elf Mitglieder hatte, nach fast 65 Jahren wieder ein eigenes Gotteshaus eröffnen. Siegmund Rotstein betrachtete dies selbst als Krönung seines Lebenswerkes und sagte: »Ein Stück Gerechtigkeit wurde wiederhergestellt!«
2003 wurde Rotstein für seine Verdienste um die Bewahrung jüdischen Lebens in Sachsen mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Rotstein starb am Abend des 6. August im Alter von 94 Jahren in Chemnitz.