Guter und ständiger Input ist wichtig. Auf diese Weise bleibt die Dynamik bestehen, die von dem im Frühjahr vom Zentralrat der Juden in Deutschland initiierten Begegnungsprojekt »Schalom Aleikum« zwischen jüdischen und muslimischen Akteuren der Zivilgesellschaft ausgegangen war. Und genau das hatten sich wohl auch die Macher der Workshop-Reihe »Dialog Digital: #SchalomAleikum – jüdische und muslimische Impulsgeber im Gespräch« auf die Fahnen geschrieben, die am Dienstag in Berlin stattfand.
»Schließlich können wir von einer kleinen Revolution sprechen«, brachte es «Dmitrij Belkin auf den Punkt. »Denn wir haben es erfolgreich geschafft, jenseits der Funktionärsebene Juden und Muslime anzusprechen und in den unterschiedlichsten Kontexten zusammenzubringen. Entstanden ist dabei so etwas wie ein Labor für Ideen.«
Mehr als 400 Gäste hatten bereits an Veranstaltungen wie »Starting Dialogue« teilgenommen.
erfolge Mehr als 400 Gäste hatten bereits an Veranstaltungen wie »Starting Dialogue«, bei der sich Start-up-Gründer und Jungunternehmer näher kennenlernen konnten, oder an Events, die sich gezielt an Frauen und Senioren beider Konfessionen richteten, teilgenommen. Weitere, wie zum Beispiel zum Thema Antisemitismus an Schulen, stehen noch aus.
Rund 70 Institutionen sind mittlerweile in die Dialogformate des Begegnungsprojekts »Schalom Aleikum« eingebunden, das ebenfalls von Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, gefördert wird. An diese Erfolgsbilanz wollte man nun mit den Workshops anknüpfen.
»Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen erhalten«, freut sich Mitorganisatorin Vera Schulemann. »Befürchtungen, dass wir nur einen kleinen exklusiven Kreis erreichen, der ohnehin schon dialogbereit ist, haben sich nicht bestätigt.« Sie selbst bietet gemeinsam mit dem Filmemacher und Autor Dave Lojek einen Workshop an, bei dem sich alles um die Frage dreht, wie man das Thema jüdisch-muslimische Begegnung filmisch umsetzen kann. »Am Ende soll ein Drehbuch entstehen.«
Ibo Omari übermalt in Schöneberg gesprayte Hassbotschaften.
Bereits der Titel der Veranstaltung weist darauf hin, dass es um die Entwicklung und konkrete Umsetzung von Ideen geht, die dann ihr Echo im Internet finden sollen. »Das zeigt beispielsweise schon eines unserer DialogDigital-Logos, das einen Gebetsteppich mit einem Smartphone kombiniert.« Auf diese Weise will man das Potenzial von Social Media und anderen digitalen Plattformen für jüdisch-muslimische Begegnungen besser und gezielter nutzen. »Wir wollen Impulsgeber sein«, sagt Schulemann.
Kreativität Wie kreativ politische Bildung ebenfalls sein kann und welches Potenzial in ihr stecken kann, um unterschiedliche Menschen im Rahmen von Aktionen zusammenzubringen, das zeigte Ibo Omari, der unter dem Hashtag #PaintBack Bilder von Graffiti postet, mit denen er und seine Mitstreiter im Berliner Bezirk Schöneberg Hassbotschaften übermalen. »Ich war total geschockt, als auf einmal vor einigen Jahren auf einem Spielplatz in meiner Nachbarschaft eine riesige Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz zu sehen war«, berichtet er.
Da Omari bestens in der Hip-Hop-Szene vernetzt ist, in der das Sprayen sich großer Beliebtheit erfreut, hatte er sofort eine Idee. »Wir wollten dem Ganzen mit Humor begegnen.« Also wurden die beiden Logos kurzerhand zu einem Moskito mit Flügeln umgesprayt, der vor einem Köcher davonfliegt.
Flugzeugpropeller Es blieb nicht bei der einen »Verschönerungsaktion«, denn Hakenkreuze und andere Hasssymbole sind in Berlin und anderen Großstädten keine Seltenheit. »Diese verwandelten sich dank unserer Sprayaktionen dann in Eulen, Flugzeugpropeller oder ein Sudoku-Rätsel. Dabei haben wir meist eher niedliche oder freche Motive gewählt.«
Die Ideen dazu hatten dann die Jugendlichen selbst, die dabei mitmachten. »Zudem wurde so das Bewusstsein dafür geschärft, was beispielsweise hinter bestimmten Zahlenkombinationen wie 88 steht, die in der Neonazi-Szene üblich sind.«
David Studniberg, Kurator am Jüdischen Museum in Berlin, ging in seinem Workshop der Frage nach, was überhaupt jüdische Orte sind. Er selbst ist Mitinitiator der Webseite jewish-places.org, die eine interaktive Karte zum jüdischen Leben in Deutschland präsentiert. »Dabei geht es um Texte, Bilder oder Videos zu Orten, an denen Juden selbstbestimmt leben konnten.«
Alles, was diesem Kriterium nicht entsprach und mit Zwängen verbunden war, also Lager oder Ghettos, wurde dabei bewusst ausgeklammert. Das Ganze versteht sich als ein mikrogeschichtlicher Ansatz. »Er soll als Einladung verstanden werden, auf digitaler Ebene in einen Dialog zu treten.« Wie dieser aussehen kann und wie sich auch Muslime darin einbinden lassen, darüber sollten sich die Teilnehmer Gedanken machen und sich austauschen.
»Was sind eigentlich jüdische Orte?«, fragt David Studniberg.
Auch im Filmworkshop wurde heftig debattiert, denn ohne ein nennenswertes Budget einen Erklärfilm zu konzipieren, ist wohl keine einfache Sache. Zur Diskussion standen gleich zwei Ideen: entweder zu zeigen, wie Minderheiten wie Juden und Muslime von außen angefeindet werden, oder aber, wie sie untereinander als Gruppen in Beziehung treten.
Auch die Umsetzung in Bilder und Zeichen, die für die einzelnen Gruppen stehen, erforderte viel Nachdenken. Oder wie es Filmemacher Lojek formulierte: »Wie kann die mediale Punchline aussehen, und welche Kanäle will man bedienen?« Über all diese Themen wird man wohl weiter im Gespräch bleiben, auch nach diesen Workshops.