Schwenningen gedenkt in der Woche vom 18. bis 24. Juni seiner »stillen Helden«. Evangelische und weltliche Gemeinden erinnern mit Tafeln und Räumen an die, die den Ort am Neckarursprung im »Dritten Reich« für untergetauchte Juden zur Station der Errettung machten oder zur Schleuse in die Schweiz.
Der bekannte Sitz der Uhrenindustrie hatte sich als Grenzstadt lange dem Naziterror widersetzt. Bis 1938 fehlten antisemitische Tafeln im Stadtbild. DDP, SPD und KPD hatten »Judenfeinde« bereits in der Zeit der Weimarer Republik ausgeschlossen. Der evangelische Arbeiterverein hatte seit der Kaiserzeit mehrfach Kundgebungen »gegen die gottlose Lehre der Antisemiten« veranstaltet. Und die protestantische Jugend wurde auch nach 1933 von Diakonen und Vikaren zur »Achtung vor Juden« erzogen.
Mutige Menschen folgten ihrem Gewissen und schmuggelten Juden über die Grenze. Pfarrer der kirchlich-theologischen Sozietät um Gotthilf Weber oder der württembergischen Bekenntnisgemeinschaft, zu der die Pfarrfamilien Kurz und Schäfer zählten, verkündeten ihre Solidarität mit Juden sogar von der Kanzel: »Wenn dem Christen im Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung ein Antisemitismus aufgedrängt wird, der zum Judenhass verpflichtet, so steht für ihn dagegen das christliche Gebot der Nächstenliebe.«
Versteck Gotthilf Weber, Pfarrer an der Stadtkirche, half untergetauchten Juden. In der Johannesgemeinde nahmen Pfarrfrau Lotte Kurz und Vikarin Margarete Hoffer, Verbindungsfrau der württembergischen »Pfarrhauskette«, Juden auf. Im Paulusgemeindehaus beherbergten Pfarrer Richard und seine Frau Anne Schäfer »Rasse- und Glaubensjuden« wie Hermann und Herta Pineas. Aus Angst, entdeckt zu werden, nahmen sich Juden beim Luftangriff am 22. Februar 1945 das Leben. Mithilfe Max Kaisers von der zuständigen Behörde beerdigte ein Pfarrer sie unter Decknamen.
Auch der spätere Oberbürgermeister Hans Kohler beschaffte falsche Papiere für Juden. Ihre Beispiele zeigten, dass durchaus Handlungsspielräume bestanden. Selbst Polizeipräsident August Keller nutzte diese und verhalf Schwenninger Juden zur Auswanderung. Einen jüdischen KZ-Flüchtling deklarierte er kurzerhand zum »Westarbeiter«, so konnte dieser überleben. Selbstlos öffnete die Familie des SPD-nahen Kurt Nickstadt ihr Haus den Flüchtenden.
Helmut Maria Soik, der Schalom Ben-Chorin in München das Leben retten sollte, stammt aus Schwenningen. An sie und viele andere wird in der kommenden Woche erinnert.