»L'Chaim«

Texte öffnen Türen

Foto: Getty Images/iStockphoto


»Das Ziel des Schreibens ist es, andere sehen zu machen.« Der Satz ist überliefert von dem britisch-polnischen und in der heutigen Ukraine gebürtigen Schriftsteller Joseph Conrad. Er trifft auch auf die Initiative des Schreibwettbewerbs »L’Chaim! Schreib zum jüdischen Leben in Deutschland« zu. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, formuliert es nur ein wenig anders: »Ziel des Wettbewerbs ist die Sichtbarmachung jüdischen Lebens in Deutschland – auch als Strategie gegen Antisemitismus.«

Der Anlass ist ein trauriger: der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Es gelte, »das vielfältige jüdische Leben in Deutschland als Gegensatz zu zeigen, der Hasstat die Stirn zu bieten«, sagt die Journalistin und Moderatorin Shelly Kupferberg. Zusammen mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, und der Bundesvorsitzenden des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Lena Falkenhagen, stellte sie den erstmals ausgelobten bundesweiten Schreibwettbewerb in einer Online-Konferenz vor.

KLISCHEES »Beim ersten spontanen Lesen fiel mir auf: L’Chaim ist doch ein Trinkspruch! Mag ja sein, dass einem das Schrei­ben nach einem Gläschen leichter fällt. Aber was bedeutet L’Chaim übersetzt? Zum Leben. Ein idealer Titel«, findet Zentralratspräsident Josef Schuster.

Am Jahrestag des Halle-Anschlags im Oktober werden die Siegertexte in einer Veranstaltung in Berlin einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Wettbewerb möge dazu beitragen, Juden ein Stück weiter aus der Opferrolle zu holen. »In diesem Rahmen fand bereits 2020 der Fotowettbewerb ›Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland‹ statt. Die Bilder touren noch immer«, so Shelly Kupferberg. 2021 folgte der Thementag »Medienbild im Wandel: Jüdinnen und Juden in Deutschland«. Dies sei nun »der nächste Aufschlag«. Initiiert wurden die Projekte auch in Zusammenarbeit mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die »den Staffelstab« von ihrer Vorgängerin Monika Grütters (CDU) übernommen habe.

»Viele in unserem Land kennen keine jüdischen Menschen persönlich«, erklärt Felix Klein. »Es kursieren aber gleichzeitig viele Klischees.« Jüdischkeit sei jedoch sehr divers, das zeige der Fotowettbewerb. »Viele Menschen sind aufgeschlossen und wollen mehr über jüdisches Leben wissen.« Er verwies auch auf das jüdische Theaterschiff »MS Goldberg«, das auf den Weg gebracht wurde.

einblicke Der Schreibwettbewerb solle Türen öffnen in neue Räume. »Lange oder kurze Texte – wichtig ist, sich schriftlich zu beteiligen«, sagt Klein. Der Wettbewerb richte sich an alle in diesem Land, »Laien wie erfahrene Autorinnen und Autoren«. »Ich bin gespannt auf viele neue Einblicke in das jüdische Leben in Deutschland«, so Klein.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Alle dürfen schreiben, und es würde uns sehr ehren, wenn auch prominente Schriftsteller teilnehmen«, erläuterte Olaf Zimmermann. Ebenso sei in der Form alles möglich – von »Prosa über Tagebuch, Fabel, Gedichte, Songtexte oder Essays, witzig oder ernsthaft«.

»Antisemitismus ist das Krebsgeschwür in unserer Gesellschaft. Er bildet immer neue Metastasen. Dauerhaft dagegen zu arbeiten, das ist es, was wir tun«, sagte Zimmermann mit Blick auf die Arbeit des Deutschen Kulturrates. Auch er unterstrich, der Wettbewerb setze »einen Kontrapunkt zu seinem schrecklichen Anlass«.

JURY Die Jury setzt sich zusammen aus dem Schauspieler und Autor Christian Berkel, der Schriftstellerin Lena Falkenhagen, Jo Frank, Autor und Geschäftsführer des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks, der Autorin Lena Gorelik, Felix Klein, Claudia Roth, Josef Schuster, Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, und Olaf Zimmermann.

Die Texte werden der Jury in anonymisierter Form vorgelegt. Zur Verfügung stehen Preisgelder in Höhe von insgesamt 12.500 Euro: Der Gewinnertext ist mit 5000 Euro dotiert, die Zweit- und Drittplatzierten erhalten 3000 und 2000 Euro, die Plätze vier bis zehn sind jeweils mit 500 Euro dotiert. Einsendeschluss ist der 7. Juni.

Alle Formate sind möglich: Prosa, Tagebuch, Fabel, Gedichte, Songtexte und Essays.

»Ich bin neugierig, was formal und inhaltlich eingereicht wird«, sagt Lena Falkenhagen. »Ich würde mir wünschen, dass viele Einsendungen nicht von jüdischen Menschen kommen. Dass sich viele Leute mit der Thematik auseinandersetzen. Aber auch die Beiträge von Menschen mit jüdischem Hintergrund interessieren mich sehr.« Sie schätze sich glücklich, jüdische Freundinnen und Freunde zu haben, aber es gebe »auch immer mal Vorbehalte in Gesprächen«. Sie sehe den Wettbewerb unter dem Stichwort »Mauern einreißen«.

LESUNGEN Auch der Zentralratspräsident freut sich auf die Einsendungen. »Bereits beim Fotowettbewerb war ich überrascht, wie viele neue Aspekte sich da auftaten«, sagt Josef Schuster. »Ich wünsche mir, dass wir in der Jury bei der Auswahl in eine ähnlich schwierige Lage geraten wie bei den Bildern.«

Am Jahrestag des Halle-Anschlags im Oktober werden die Siegertexte in einer Veranstaltung in Berlin einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Zudem sollen sie in einer Broschüre veröffentlicht werden. Lesungen in Buchhandlungen und Theatern sind ebenso im Gespräch wie Diskussionen an Schulen. »Beim Fotowettbewerb sind wir regelrecht überrannt worden vom Interesse«, resümiert Olaf Zimmermann. »So etwas Ähnliches wünsche ich mir für die Texte auch.«

Gespräch

»Nach den Wahlen habe ich geweint«

Sie sind jung, jüdisch und leben in Ostdeutschland. Zwei Wochen nach den Erfolgen der rechtsextremen AfD in Thüringen und Sachsen fragen sie sich: Sollten wir gehen? Oder gerade jetzt bleiben?

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.09.2024

Vertreibung

Vor 600 Jahren mussten die Juden Köln verlassen - Zuflucht auf der anderen Rheinseite

Die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen - und dann ist auf einmal Schluss. Vor 600 Jahren verwies Köln seine Juden der Stadt. Viele zogen darauf gen Osten, manche kamen dabei nur ein paar Hundert Meter weit

von Johannes Senk  19.09.2024

Magdeburg

Jüdischer Kalender für 5785 in Sachsen-Anhalt veröffentlicht

Bereits vor Rosch Haschana ist er als Download verfügbar

 18.09.2024

Augsburg

Jüdische Kulturwoche beginnt in Bayerisch-Schwaben

Führungen, Konzerte und Workshops stehen auf dem Programm

 18.09.2024

Berlin

Für die Demokratie

Ehrenamtspreis für jüdisches Leben für das EDA-Magazin und »BeReshith«

von Katrin Richter  17.09.2024

Hochschule

»Herausragender Moment für das jüdische Leben in Deutschland«

Unter dem Dach der neuen Nathan Peter Levinson-Stiftung werden künftig liberale und konservative Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet. Bei der Ausbildung jüdischer Geistlicher wird die Uni Potsdam eng mit der Stiftung zusammenarbeiten

von Imanuel Marcus  17.09.2024

Würdigung

Ehrenamtspreise für jüdisches Leben verliehen

Geehrt wurden das »EDA-Magazin« und der Verein BeReshit aus Sachsen-Anhalt

 16.09.2024

Hannover

Leib und Seele sind vereint

Die bucharische Gemeinde eröffnete in ihrem neuen Zentrum drei Mikwaot

von Michael B. Berger  16.09.2024

München

Wehmütig und dankbar

Die Religionslehrerin Michaela Rychlá verabschiedet sich nach knapp 30 Jahren in den Ruhestand

von Luis Gruhler  15.09.2024