Wir haben uns damals als bucharische Familienclans für Hannover entschieden. Heute haben wir das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben», sagte Juhanan Motaev. Mit mehreren Hundert Gästen feierte der Vorsitzende des Jüdisch-Bucharisch-Sefardischen Zentrums bei Musik und Gerichten aus der Heimat das 15-jährige Bestehen seiner Gemeinde.
Sie war die erste dieser Art in Deutschland und hat ihren Sitz im hannoverschen Stadtteil Ricklingen. Zwar gibt es in Deutschland rund 120.000 Juden, doch nur etwa 1200 von ihnen folgen der bucharisch-sefardischen Tradition. Fast 300 Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft mit Wurzeln in Zentralasien wohnen in der Stadt und der Region Hannover.
Unter dem Namen Jüdisch-Bucharisch-Sefardisches Zentrum in Deutschland (JBSZD) versteht sich die Gemeinde heute als Heimat für alle bucharischen Juden in Deutschland. Etwa 200 Familien kamen nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion Mitte der 90er-Jahre nach Deutschland. Die Familien der hannoverschen bucharischen Gemeinde haben ihre Wurzeln im asiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion.
Michael Krebs, Sprecher und Berater des JBSZD, der selbst nicht aus der bucharischen Tradition stammt, eröffnete den feierlichen Empfang zum Jubiläum dann auch traditionsorientiert nicht auf Russisch, Hebräisch oder Deutsch, sondern in bucharischer Sprache. Bis heute sprechen die bucharischen Juden einen persisch-tadschikischen Dialekt, der mit hebräischen Buchstaben geschrieben wird.
Tradition «Wir sind eine sehr offene Gemeinde», betont Ever Motaev, Sohn des Vorsitzenden Juhanan Motaev und seit Jahren selbst Mitglied des Vorstands des JBSZD. Er war 13 Jahre alt, als er mit der Familie aus Bischkek in Kirgistan nach Hannover kam. Heute ist er verheiratet – bucharische Juden heiraten nur untereinander – und hat zwei Kinder. Traditionen seien äußerst wichtig, wenn auch einige dem Wandel der Zeit unterlägen. So spreche er beispielsweise mit seiner Familie zu Hause neben Russisch auch Deutsch, die Sprache der neuen Heimat. Religiöse Riten und auch die Sprachen der Vorväter will die Gemeinschaft, zu der viele junge Familien gehören, aber erhalten.
Besonders stolz ist die Gemeinde in Hannover auf ihr eigenes Gemeindezentrum mit Synagoge – 2013 entstanden aus einer ehemaligen evangelischen Kirche. Zur Synagoge gehören ein Jugendzentrum, eine Kindertagesstätte und Schulungsräume für koschere Küche. Das 5000 Quadratmeter große Grundstück bietet Platz zur Erweiterung. «Das war uns wichtig, da wir zu den besonders schnell wachsenden jüdischen Gemeinden gehören», sagt Ever Motaev. Baupläne für eine Mikwe und für einen 250 Quadratmeter großen Saal werden bei der Jubiläumsparty bereits präsentiert.
Die Gemeinde in Hannover steht in ständigem Austausch mit anderen bucharischen Juden in der Welt. Gegenseitig informieren sie sich über das Leben in ihrer Gemeinschaft und wollen die jüdische Zukunft im Fokus behalten. So skizziert Juhanan Motaev, seit August vergangenen Jahres erster Vorsitzender des JBSZD, bereits weitere Pläne für seine Gemeinschaft: den Bau einer jüdischen Schule in Hannover.
Pläne Doch Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, bremste in seinem Grußwort: «Nicht alles, was Sie vorhaben, sehe ich. Bei einer Schule bin ich skeptisch», sagte der Landesvorsitzende und mahnte: «Bleiben Sie realistisch!» Doch Fürst betonte zugleich, wie glücklich er darüber sei, dass Hannover auch dank des JBSZD deutschlandweit die Stadt mit der größten jüdischen Vielfalt sei, und unterstrich die Lebensleistung von Mikhail Davidoff, dem Gründer und heutigen Ehrenvorsitzenden des JBSZD. «Ohne sein Engagement wäre die Entwicklung so nicht möglich gewesen. Man muss eine Gemeinde auch im Deutschen repräsentieren können, und das können Sie jetzt dank der nächsten Generation.» Keine andere Gemeinde habe ihn in den vergangenen Jahren so gefordert wie diese. Zum Jubiläum hat Michael Fürst Bargeld für die geplanten Bauvorhaben mitgebracht.
Auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte die besondere Stellung der bucharischen Juden, die in ihrer Geschichte bald nach den Urvätern des Judentums kämen. «Kaum einer kann seine Geschichte so weit zurückverfolgen wie Sie!» Doch die Zukunft läge aus seiner Sicht nicht im Separieren, sondern in der Einheitsgemeinde, deshalb überzeuge ihn hier in Hannover neben den verschiedenen Traditionen vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl der verschiedenen jüdischen Gemeinden.
Verständnis Auch Klaus Dieter Scholz, Bürgermeister der Stadt Hannover, legte in seinem Grußwort die zentrale Bedeutung von Austausch dar, denn Integration funktioniere nur über gegenseitiges Verstehen. «Wir sind stolz, Sie hier zu haben. Danke für Ihre großartige Gastfreundschaft!»
Rabbiner Avichai Apel, Vorsitzender der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD), zeigte sich von der intensiven Toraarbeit in dieser Synagoge begeistert und forderte die Gemeinde und ihren Rabbiner Yafim Aminov auf: «Machen Sie weiter so!»
Was wünscht sich die Gemeinde für die Zukunft? Ever Motaevs Antwort kommt prompt: «Keinen Stillstand. Wir haben in Hannover Anker gesetzt und wollen, dass die Gemeinde weiter wächst.» Um den Austausch lebendig zu halten, versprach auch Gabor Lengyel, Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover: «Ich komme gern wieder. Es ist mir eine besondere Ehre, hier zu sein. Ihr nehmt euer Judentum ernst!»