Eine Familie von Tänzern – nichts weniger als das schuf Tirza Hodes (1922–2024) in ihrem langen, bewegten Leben, das sie der Vermittlung israelischer Volkstänze widmete. Für die junge Tirza, die 1939 den Nazis entkam und die ihre Familie in Deutschland zurücklassen musste, war der Tanz zunächst ein Weg aus der Einsamkeit.
Mit ihrem späteren, jahrzehntelangen Einsatz als Tanzlehrerin konnte Tirza Hodes die jüdische Gemeinschaft in Deutschland nachhaltig zusammenschweißen. »Wir haben Tirza ganz viel zu verdanken«, betonte Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), bei der Eröffnung des fünften bundesweiten ZWST-Tanzfestivals.
»Für Zehntausende Juden war sie Mutter, Mentorin und Unterstützerin.«
ZWST-Direktor Aron Schuster
30 Tanzgruppen aus jüdischen Gemeinden sind am Sonntag im Frankfurter Ignatz Bubis-Gemeindezentrum zusammengekommen. »So viele hatten wir noch nie«, freut sich Festivalorganisatorin Larissa Karwin.
Wiedersehensfreude im Gemeindezentrum
Im lichterfüllten Foyer des Gemeindezentrums herrscht derweil Wiedersehensfreude: »Lauter bekannte Gesichter!«, ruft eine Teilnehmerin ihrer Tanzgruppe zu. Nikolai aus Baden-Baden ist zum ersten Mal beim Festival dabei. »Für viele Gemeindemitglieder ist das Tanzen der Sinn des Lebens«, berichtet er.
Sie habe von Anfang an sehr eng mit Tirza zusammengearbeitet und viel von ihr gelernt, erzählt Larissa Karwin. Um Tirza Hodes’ Beitrag zu würdigen, wurde das diesjährige Tanzfestival ihrem Andenken gewidmet. Karwin blickt in das von Tänzerinnen und Tänzern diverser Altersgruppen gesäumte Foyer und sagt: »Ich freue mich, dass dieses Festival sein wird, wie Tirza es wollte: Alle tanzen!«
Bevor das Festival im Festsaal mit gemeinsamem Gesang und Tanz beginnt, würdigt auch ZWST-Direktor Aron Schuster Tirza Hodes’ Lebensleistung: »Für Zehntausende Juden in Deutschland war sie Mutter, Mentorin und Unterstützerin.« Sie habe es geschafft, generationsübergreifend Menschen für sich zu gewinnen, sagt Schuster und kündigt die Benennung des Theatersaals im Bad Sobernheimer Max-Willner-Heim nach Tirza Hodes an.
Kurz darauf stimmt Elik Roitstein am Akkordeon »Am Israel Chai«, »Hine Ma Tov« und weitere Lieder an – schnell klatscht und singt sich der Saal warm. Von Marina Evel angeleitet, kommen bald auch die ersten Teilnehmerinnen in die Saalmitte und eröffnen das gemeinsame Tanzen. Innig und ausgelassen, Hand in Hand, tanzen irgendwann etliche Frauen und Männer im Kreis.
»Seitdem ich mich erinnern und denken kann, war Tirza immer in Bewegung«
Wie besonders das diesjährige ZWST-Tanzfestival ist, unterstreichen auch die anschließenden Auftritte von Tirza Hodes’ Tochter Ilana Lazarov und Enkel Guy Hodes. »Seitdem ich mich erinnern und denken kann, war Tirza immer in Bewegung«, eröffnet Lazarov ihre Ansprache. Sie schildert die frühen sportlichen Ambitionen ihrer Mutter vor der Flucht aus Deutschland. Mit ihrer Liebe zum Volkstanz habe Tirza sich in Israel einen neuen Weg geebnet.
Ihre Lebensaufgabe, so Lazarov weiter, habe ihre Mutter darin gefunden, die jüdischen Gemeinden in Deutschland zu stärken und zu fördern: »Das war ihr Weg, mit ihrer Lebensgeschichte umzugehen.« Guy Hodes würdigt ebenfalls den Einsatz seiner Großmutter für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland: »Sie hat ihr Leben der Weitergabe der israelischen Kultur durch Tanz gewidmet – und im Gegenzug erhielt sie Wärme, Wertschätzung und ein tiefes Gefühl der Zugehörigkeit.«
Mit leuchtenden Augen folgt das Publikum den Darbietungen und filmt mit den Smartphones.
Guy Hodes dankt, ebenso wie Ilana Lazarov, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ZWST-Tanzfestivals: »Und dann lasst uns tanzen!«
Mit Herzblut, Engagement und von rhythmischem Mitklatschen begleitet, lösen die angereisten Tanzgruppen der jüdischen Gemeinden Tirzas Anspruch ein. Das Publikum folgt den Darbietungen mit leuchtenden Augen, viele filmen die Tanzauftritte mit ihren Smartphones. Unter immer wieder aufbrandendem Applaus verfliegen die Nachmittagsstunden.
Zum Abschluss erhält jede Tanzgruppe von Larissa Karwin und Aron Schuster eine Teilnahme-Urkunde und eine Statuette. Es werde sicher nicht das letzte Tanzfestival gewesen sein, versichert Schuster, bevor der Tag mit dem gemeinsamen Gesang der Hatikwa ausklingt: »Ich freue mich, Sie beim nächsten Mal begrüßen zu dürfen!«