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Tandem für Toleranz

Ein Tandem kann eine knifflige Sache sein: Beide Fahrer müssen sich gut absprechen, wann in die Pedale getreten, wann gebremst und wohin gelenkt wird – schon das gemeinsame Aufsteigen ist eine Herausforderung, will man nicht umkippen. Umso passender erscheint die Aktion, die am Sonntag in Berlin stattfand: Gemeinsam traten Rabbiner und Imame bei einer Tour durch die Hauptstadt in die Pedale, um ein Zeichen gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu setzen.

Initiiert wurde die symbolträchtige Fahrt von den Machern der Fahrradschau »Berlin Bicycle Week«, der »Initiative Städte«, die mit regelmäßigen Touren für die Rechte von Radfahrern eintritt, und vom Projekt »Meet2Respect«, in dessen Rahmen Rabbiner und Imame auch zusammen Schulklassen besuchen – und nun eben gemeinsam ein Tandem besteigen.

vertraut Fast schon routiniert sieht das bei Rabbiner Daniel Alter und Imam Ferid Heider aus. Kein Wunder, kennen sich die beiden doch schon seit Langem durch die vielen gemeinsamen »Meet2Respect«-Schulbesuche. »Es ist zwar ungewohnt, klappt aber eigentlich sehr gut«, sagt denn auch Rabbiner Alter und schmunzelt.

Begleitet werden die Teams von Hunderten Radfahrern, die mit einem lauten Klingeln am Brandenburger Tor das Startsignal geben. Langsam setzt sich der Tross bei niedrigen Temperaturen, aber immerhin strahlendem Sonnenschein in Bewegung – darunter auch das Tandem aus Rabbiner Shlomo Afanasev und dem muslimischen Religionslehrer Burhan Kesici.

Nach einigen wackeligen Startschwierigkeiten haben die beiden ihren Rhythmus gefunden – der kurz vor der Siegessäule jäh unterbrochen wird: Die Kette des Tandems springt ab. Etwas ratlos stehen die beiden vor dem nun fahruntüchtigen Rad, bekommen aber schnell Hilfe von anderen Fahrern, sodass die Tour nach einer kurzen Pause weitergehen kann.

Austausch Komfortabler ist da Rabbiner Yitshak Ehrenberg unterwegs: Zusammen mit Ender Cetin von der Sehitlik-Moschee in Neukölln sitzt er in einem Velotaxi, das bunt beleuchtet mitten im Pulk der Radler mitfährt. Ehrenberg und Cetin nutzen die zweistündige Tour, um theologische Themen zu erörtern und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. »Mein Begleiter ist dafür sehr offen«, lobt Rabbiner Ehrenberg. »Schon lange gibt es einen Austausch zwischen uns, den wir zum Beispiel durch gegenseitige Besuche weiterführen wollen.«

Auch Imam Cetin betont, dass der Dialog zwischen den Religionen schon bestehe, »aber von der Mehrheitsgesellschaft leider nicht wahrgenommen wird«. Stattdessen gebe es das Bild gegenseitiger Feindschaft. »Eine Radtour wie heute ist deswegen so wichtig, um zu zeigen, wie selbstverständlich der interreligiöse Dialog für uns ist«, so Cetin.

Die Toleranztour hat sich mittlerweile durch den Bezirk Moabit und das Regierungsviertel bewegt, um nun an der Synagoge in der Oranienburger Straße eine kurze Pause einzulegen. Danach geht es in gemächlichem Tempo weiter Richtung Jüdisches Museum und Mevlana-Moschee in Kreuzberg. Inzwischen ist die Sonne fast untergegangen, die Temperaturen sind merklich gesunken, was sich nicht zuletzt an der schrumpfenden Teilnehmerzahl ablesen lässt.

ausgelassen Für gute Laune sorgen da zwei junge Radler, die die verbleibende Menge mit lauter Musik beschallen, sowie vor allem William Noah Glucroft, der für den Verein »Freunde des Fraenkelufers« zusammen mit Yunus Celikoglu, Geschäftsführer der Islamischen Föderation, in die Pedale tritt. Die beiden erfahrenen Radfahrer haben mit dem Tandem kein Problem und stoßen immer wieder an die Spitze des Zuges vor. Die Sprints werden von Glucrofts lauten Rufen begleitet: »Vorsicht! Verrückte Juden und Muslime!«

In einer ruhigen Minute erklärt er, die Tour sei eine gute Metapher: »Auf einem Tandem muss man sich absprechen und einander vertrauen.« Zudem gehe von der Aktion ein deutliches Zeichen aus, dass Juden und Muslime zusammenarbeiten können und wollen: »Wir sind vor allem Menschen, die in der gleichen Stadt wohnen.«

Anderthalb Stunden nach dem Start hat sich die Zahl der Radler nun doch merklich reduziert: Einige Dutzend sind es noch, die an der Sehitlik-Moschee eine letzte kurze Pause machen, während aus den Lautsprechern der Moschee Gebetsrufe erschallen. Durch den Park am Gleisdreieck geht es schließlich zur »Station Berlin« in Kreuzberg, wo am Wochenende die Fahrradschau stattfand – und sich die verbliebenen Tour-Teilnehmer mit Tee, Kaffee, Döner und Spinatknödeln stärken können.

eindrücke Für Heinrich Strößenreuther von der Initiative Clevere Städte war die Fahrt ein Erfolg, hatten doch alle Tandem-Teams Spaß: »Die Völkerverständigung hat funktioniert. Alle Menschen, nicht nur Juden, Muslime oder Radfahrer, sollen friedlich und ohne Diskriminierung in unserer Stadt leben können.«

Auch Rabbiner Alter und Imam Heider haben den Weg ins Ziel gefunden, die mehr als zweistündige Tour sieht man den beiden ebenso wie den anderen Teilnehmern an. Vor allem der abschließende Sprint über das Tempelhofer Feld hat Kraft gekostet. Doch die beiden sehen zufrieden aus. »Es war zwar sehr kalt, hat aber Spaß gemacht«, findet Rabbiner Alter.

Für ihn hat die Aktion ein wichtiges Signal der Toleranz an die jüdische und muslimische Gemeinschaft ausgesendet, das über einfache Lippenbekenntnisse hinausgeht. Während der Fahrt hat er mit Imam Heider den Platz getauscht und zum Abschluss hinten gesessen. Für Rabbiner Alter kann das auch symbolisch verstanden werden: »Auf einem Tandem geht es um Kooperation. Da ist egal, wer vorne sitzt: Wir fahren ohnehin in die gleiche Richtung.«

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