Sportcamp

Tage ohne Sorge

Schüler der Heinz-Galinski-Schule empfingen die 20 Kinder aus Israel mit einem Bühnenprogramm. Foto: Jessica Brauner

Ihr gingen die Worte so nahe, dass sie nur noch mit den Schultern zucken konnte und mit einem Blick zu verstehen gab, dass sie die Sätze in diesem Moment nicht vom Deutschen ins Hebräische dolmetschen kann. Dann atmete Hila Zboralski-Avidan, Direktorin der Heinz-Galinski-Schule (HGS), tief durch und fand ihre Stimme wieder: »Wir sind unfassbar glücklich, dass ihr da seid. Heute trainieren wir zusammen und spielen Fußball. Ihr seid Familie«, übersetzte sie die Worte von Michael Koblenz, der dem Sportvorstand des TuS Makkabi Berlin angehört, ins Hebräische, sodass Kinder, Betreuer und Angehörige jedes Wort verstehen konnten.

20 traumatisierte Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 16 Jahren, die engste Familienangehörige durch das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 verloren haben, landeten am Sonntagabend in Berlin und waren am Montag in die Heinz-Galinski-Schule eingeladen. Für sie wurde ein Sportcamp von Makkabi Berlin eingerichtet, an dem auch 40 bis 50 Schüler der HGS teilnehmen.

Freudig und aufgeregt

Am Montagvormittag herrscht in der Aula eine freudige, aufgeregte Stimmung. Über der Bühne hängen silberne Buchstaben-Ballons, die das Wort »Shalom« ergeben, blau-weiße Luftballons sind überall, Flaggen mit der Aufschrift »We stand with Israel« hängen an der Wand. Auf der Bühne stehen Schüler in weißen Shirts und blauen Hosen oder Röcken und singen. Religionslehrer Oren Ben-Gai stimmt ein Lied nach dem anderen mit ihnen an, denn die israelischen Kinder sollen erst in einer halben Stunde kommen, es muss noch etwas Zeit überbrückt werden.

»Ist die Klasse 3c schon da?«, fragt er und bekommt eine lautstarke bejahende Antwort. »Unsere lieben Gäste kommen in acht Minuten«, meint er. Da weiß er noch nicht, dass es später werden wird. Intern wird er auch Oren Gottschalk genannt, weil er so ein guter Moderator ist und weiß, wie man die Zeit mit Unterhaltung verkürzen kann. Also folgt ein Pessachlied dem anderen. »Wenn die Kinder hereinkommen, dann singen wir ›Schalom alejchem‹.«

Und dann geht prompt die Tür auf: Sie sind da. Während die Gäste auf den Stühlen Platz nehmen, singen die Schüler. »Heute haben wir Familienmitglieder aus Israel eingeladen, die gerade schwierige Zeiten erleben. Wir denken jeden Tag an sie – und würden am liebsten allen helfen«, sagt Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Leider sei das nicht möglich. Er hoffe, dass ihre Sorgen in dieser Woche etwas in den Hintergrund gedrängt werden können.

»Ich bin froh und erleichtert, dass ihr es trotz des Angriffs auf Israel geschafft habt, aus dem Land herauszukommen«, so der Gemeindechef. In der Nacht zum Sonntag hatte der Iran Israel angegriffen, sodass bis zum Mittag der Flugbetrieb eingestellt war. »Wir sind glücklich, dass ihr da seid, denn wir hatten schon Angst, dass es nicht klappt.«

Vor einigen Wochen hatten Michael Koblenz, Ilja Gop und Adi Rubinstein die »wunderbare Idee, die Kinder einzuladen«, und suchten mit diesem Vorschlag Gemeindechef Joffe auf. »Die Kinder sind die Opfergruppe, die am meisten unter dem Krieg zu leiden hat durch den alltäglichen Stress, durch die Bilder, durch die Nervosität der Eltern. Das bekommen sie alles jeden Tag hautnah mit«, sagt Joffe. »Wir wollten die Woche zusammen organisieren. Und nun freut sich die ganze Gemeinde mit ihren 10.000 Mitgliedern, dass ihr hier seid.«

Alle Gast-Kinder erhalten einen Teddybären mit Berliner Wappen.

»Wenn ich euch hier sehe, mit euren blauen Makkabi-Trikots und den Käppis, dann bin ich sehr glücklich«, sagt auch Michael Koblenz von Makkabi. Im Januar waren er und Ilja Gop in Tel Aviv und wollten mit Adi Rubinstein, einem israelischen Journalisten, nur über Fußball reden. »Doch dann kam Adi mit der Idee, etwas für Kinder zu organisieren«, sagt er. Ilja und er waren sehr leicht zu begeistern und hätten sofort zugestimmt. »Da wussten wir ja noch nicht, was für einen Aufwand das bedeutet.«

»Es ist ein Riesenerlebnis für euch, genießt es«

Glücklicherweise hätten sie in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sofort einen guten Mitstreiter gefunden. Adi Rubinstein hofft, dass die Kinder eine »fantastische Woche« erleben werden. »Es ist ein Riesenerlebnis für euch, genießt es.« Alle Gäste bekommen eine hellblaue Geschenktüte mit einem Stofftier überreicht. Ein Mädchen hält den Berliner Bären fest an sich gedrückt in den Armen. Schließlich stehen alle auf, um die Hatikwa zu singen.

Der Empfang hat länger gedauert als ursprünglich geplant – und das Essen wartet. Mit ihren Begleitern gehen die Gäste in die Mensa. Yogev aus Kochav Yair in der Nähe von Tel Aviv ist bereit, zusammen mit seinem Vater ein Interview zu geben. Yogev ist ein Rechengenie. Vor der ersten Antwort auf Fragen von Journalisten bittet er um zwei Zahlen, die sich nicht so einfach dividieren lassen. Während sein Vater Eliezer Friedler die Aufgabe ins Handy tippt, rechnet der Zehnjährige schnell im Kopf. Er freue sich auf die Tage.

Ein Schüler der HGS stoppt bei Schlomi Zchwiraschwili, der an der Aula-Tür steht und dem Makkabi-Organisationsteam angehört. »Wann treffen wir uns auf dem Fußballplatz?«, fragt er ihn. Er könne es kaum noch erwarten und freue sich. Mehrmals die Woche trainieren sie zusammen, sagt Schlomi. Er habe die israelischen Kinder am Sonntag vom Flughafen abgeholt. »Sie müssen verstehen, dass hier Frieden herrscht und diese Tage Urlaub vom Alltag in Israel sein sollen.«

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