Cottbus

Synagoge mit Glockenturm

Am 2. November erhält die Gemeinde die Schlüssel für ihr neues Bethaus

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  27.10.2014 20:16 Uhr

Die ehemalige französisch-reformierte Schlosskirche in Cottbus wurde 1714 eingeweiht. Foto: dpa

Am 2. November erhält die Gemeinde die Schlüssel für ihr neues Bethaus

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  27.10.2014 20:16 Uhr

Auf diesen Augenblick hat die Jüdische Gemeinde Cottbus seit 2008 gewartet: Noch gut eine Woche, dann soll den rund 400 Gemeindemitgliedern die ehemalige evangelische Schlosskirche als künftige Synagoge übergeben werden.

Es ist die erste Synagoge in Brandenburg seit der Schoa. Die historische Synagoge von Cottbus an der heutigen Karl-Liebknecht-Straße wurde 1938 bei den NS-Novemberpogromen zerstört. Pläne für den Bau eines vom Land finanzierten jüdischen Gotteshauses in Potsdam wurden bislang nicht umgesetzt, weil sich die drei jüdischen Gemeinden der Stadt nicht auf eine gemeinsame Nutzung verständigen konnten.

Kosten Das Land Brandenburg hat den rund 580.000 Euro teuren Ankauf der Cottbuser Schlosskirche finanziert. Der Kaufvertrag wurde Mitte September von der Kirchengemeinde, dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden des Landes Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde Cottbus unterzeichnet. Weitere Kosten, unter anderem für Umbaumaßnahmen, werden vom Landesverband übernommen. Das Land will zudem jährlich 50.000 Euro Betriebskosten übernehmen.

Max Solomonik ist sich des Symbolcharakters des bevorstehenden Ereignisses wohl bewusst. Der 50-jährige Lehrer, der an einer Cottbuser Schule Deutsch für Flüchtlinge unterrichtet, engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich im Vorstand seiner Gemeinde. Er selbst kam mit Frau und Sohn vor etwa 13 Jahren aus Moskau in die brandenburgische Stadt.

In der Gemeinde ist Solomonik derzeit ein gefragter Gesprächspartner. Anrufe von Journalisten beantwortet er geduldig. Aber nicht nur die haben Fragen. Auch die Gemeindemitglieder beschäftigen viele Dinge: Wann wird der erste Gottesdienst stattfinden? Wird die Synagoge wie geplant im Januar 2015 offiziell eröffnet? Zieht die Sonntagsschule vom Gemeindezentrum in die künftige Synagoge?

Gedenken Konkrete Antworten kann Solomonik derzeit noch nicht geben. Denn bis es so weit ist, bleibt noch so manche Formalität zu klären. Die offizielle Schlüsselübergabe zum Beispiel. Solomonik hofft, dass der Termin am 2. November wie vorgesehen eingehalten wird. Zumal die Stadt die Jüdische Gemeinde nur wenige Tage später zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 9. November eingeladen hat: Auftakt soll am Standort der 1938 zerstörten Synagoge sein, symbolträchtiger Ausklang an der neuen Synagoge in der Spremberger Straße.

Solomonik ist neugierig auf das Haus. Bislang war er selbst noch nicht darin. Die ehemalige Schlosskirche, die im 18. Jahrhundert für französisch-reformierte Glaubensflüchtlinge errichtet worden war, steht heute unter Denkmalschutz.

Nähe
Mitte September wurde sie im Rahmen eines Gottesdienstes entwidmet. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, erklärte bei der Feier, die Kirche werde nicht entweiht, säkularisiert oder kommerzialisiert. Die Umwidmung der Kirche in eine Synagoge sei für die Kirchenleitung vielmehr »Ausdruck der Nähe zwischen jüdischem und christlichem Glauben«. Zugleich sei es ein »Hoffnungszeichen nach der Unheilsgeschichte der Nazizeit, in der die christlichen Kirchen viel zu wenig Widerstand geleistet haben«, sagte Dröge.

Die Jüdische Gemeinde hat sich verpflichtet, die bestehende Ausstellung über die Geschichte des Hauses sowie das Gebäude selbst weiter öffentlich zugänglich zu machen. »Daran halten wir uns«, sagt Solomonik. Dennoch sollen die Räume zumindest so eingerichtet werden, dass sie erkennbar als Synagoge fungieren können – mit Toraschrank, einem Tisch für die Torarolle, einem ewigen Licht sowie Stühlen und Sitzbänken für den Rabbiner. Viel Zeit bis zur offiziellen Eröffnung Anfang 2015 bleibt da nicht.

Gottesdienst Viele Gemeindemitglieder können den ersten Gottesdienst ohnehin kaum erwarten. Sie freuen sich vor allem darauf, Schabbat und die jüdischen Feste in der neuen Synagoge zu feiern. »Gemeinde ist Gemeinschaft. Ein Ort, an dem man gemeinsam betet, sich nach dem Gottesdienst zum Kiddusch trifft, Erinnerungen austauscht, miteinander lacht, feiert, Freuden, Sorgen, Glück und Leid teilt«, sagt Solomonik.

Welchen geeigneteren Ort gebe es dafür als ein jüdisches Gotteshaus? Gerade für die älteren Gemeindemitglieder, die viel Zeit in der Gemeinde verbringen, sei zudem ein ebenerdiger Zugang »ohne vieles Treppensteigen« wichtig, betont er. Doch auch die Lage habe die Wahl des Hauses unter den verschiedenen Angeboten des Landes Brandenburg mitbestimmt: Im Herzen der Stadt sollte die neue Synagoge sein, nur ein paar Schritte von der historischen Synagoge entfernt.

Somit erinnere die neue Synagoge an die Vergangenheit, lege zugleich jedoch den Grundstein für die Zukunft jüdischen Lebens in Cottbus, meint Solomonik. Denn auch künftigen Generationen soll der neue Ort Zugehörigkeit zur jüdischen Religion und Kultur vermitteln. Immerhin bemüht sich die Gemeinde seit ihrer Neugründung 1998 nicht nur um Integration der Zuwanderer und um Stärkung ihrer jüdischen Identität, sondern ebenso um Jugendarbeit. Die neue Synagoge ist da ein wichtiger Baustein.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert