Auf diesen Augenblick hat die Jüdische Gemeinde Cottbus seit 2008 gewartet: Noch gut eine Woche, dann soll den rund 400 Gemeindemitgliedern die ehemalige evangelische Schlosskirche als künftige Synagoge übergeben werden.
Es ist die erste Synagoge in Brandenburg seit der Schoa. Die historische Synagoge von Cottbus an der heutigen Karl-Liebknecht-Straße wurde 1938 bei den NS-Novemberpogromen zerstört. Pläne für den Bau eines vom Land finanzierten jüdischen Gotteshauses in Potsdam wurden bislang nicht umgesetzt, weil sich die drei jüdischen Gemeinden der Stadt nicht auf eine gemeinsame Nutzung verständigen konnten.
Kosten Das Land Brandenburg hat den rund 580.000 Euro teuren Ankauf der Cottbuser Schlosskirche finanziert. Der Kaufvertrag wurde Mitte September von der Kirchengemeinde, dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden des Landes Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde Cottbus unterzeichnet. Weitere Kosten, unter anderem für Umbaumaßnahmen, werden vom Landesverband übernommen. Das Land will zudem jährlich 50.000 Euro Betriebskosten übernehmen.
Max Solomonik ist sich des Symbolcharakters des bevorstehenden Ereignisses wohl bewusst. Der 50-jährige Lehrer, der an einer Cottbuser Schule Deutsch für Flüchtlinge unterrichtet, engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich im Vorstand seiner Gemeinde. Er selbst kam mit Frau und Sohn vor etwa 13 Jahren aus Moskau in die brandenburgische Stadt.
In der Gemeinde ist Solomonik derzeit ein gefragter Gesprächspartner. Anrufe von Journalisten beantwortet er geduldig. Aber nicht nur die haben Fragen. Auch die Gemeindemitglieder beschäftigen viele Dinge: Wann wird der erste Gottesdienst stattfinden? Wird die Synagoge wie geplant im Januar 2015 offiziell eröffnet? Zieht die Sonntagsschule vom Gemeindezentrum in die künftige Synagoge?
Gedenken Konkrete Antworten kann Solomonik derzeit noch nicht geben. Denn bis es so weit ist, bleibt noch so manche Formalität zu klären. Die offizielle Schlüsselübergabe zum Beispiel. Solomonik hofft, dass der Termin am 2. November wie vorgesehen eingehalten wird. Zumal die Stadt die Jüdische Gemeinde nur wenige Tage später zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 9. November eingeladen hat: Auftakt soll am Standort der 1938 zerstörten Synagoge sein, symbolträchtiger Ausklang an der neuen Synagoge in der Spremberger Straße.
Solomonik ist neugierig auf das Haus. Bislang war er selbst noch nicht darin. Die ehemalige Schlosskirche, die im 18. Jahrhundert für französisch-reformierte Glaubensflüchtlinge errichtet worden war, steht heute unter Denkmalschutz.
Nähe Mitte September wurde sie im Rahmen eines Gottesdienstes entwidmet. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, erklärte bei der Feier, die Kirche werde nicht entweiht, säkularisiert oder kommerzialisiert. Die Umwidmung der Kirche in eine Synagoge sei für die Kirchenleitung vielmehr »Ausdruck der Nähe zwischen jüdischem und christlichem Glauben«. Zugleich sei es ein »Hoffnungszeichen nach der Unheilsgeschichte der Nazizeit, in der die christlichen Kirchen viel zu wenig Widerstand geleistet haben«, sagte Dröge.
Die Jüdische Gemeinde hat sich verpflichtet, die bestehende Ausstellung über die Geschichte des Hauses sowie das Gebäude selbst weiter öffentlich zugänglich zu machen. »Daran halten wir uns«, sagt Solomonik. Dennoch sollen die Räume zumindest so eingerichtet werden, dass sie erkennbar als Synagoge fungieren können – mit Toraschrank, einem Tisch für die Torarolle, einem ewigen Licht sowie Stühlen und Sitzbänken für den Rabbiner. Viel Zeit bis zur offiziellen Eröffnung Anfang 2015 bleibt da nicht.
Gottesdienst Viele Gemeindemitglieder können den ersten Gottesdienst ohnehin kaum erwarten. Sie freuen sich vor allem darauf, Schabbat und die jüdischen Feste in der neuen Synagoge zu feiern. »Gemeinde ist Gemeinschaft. Ein Ort, an dem man gemeinsam betet, sich nach dem Gottesdienst zum Kiddusch trifft, Erinnerungen austauscht, miteinander lacht, feiert, Freuden, Sorgen, Glück und Leid teilt«, sagt Solomonik.
Welchen geeigneteren Ort gebe es dafür als ein jüdisches Gotteshaus? Gerade für die älteren Gemeindemitglieder, die viel Zeit in der Gemeinde verbringen, sei zudem ein ebenerdiger Zugang »ohne vieles Treppensteigen« wichtig, betont er. Doch auch die Lage habe die Wahl des Hauses unter den verschiedenen Angeboten des Landes Brandenburg mitbestimmt: Im Herzen der Stadt sollte die neue Synagoge sein, nur ein paar Schritte von der historischen Synagoge entfernt.
Somit erinnere die neue Synagoge an die Vergangenheit, lege zugleich jedoch den Grundstein für die Zukunft jüdischen Lebens in Cottbus, meint Solomonik. Denn auch künftigen Generationen soll der neue Ort Zugehörigkeit zur jüdischen Religion und Kultur vermitteln. Immerhin bemüht sich die Gemeinde seit ihrer Neugründung 1998 nicht nur um Integration der Zuwanderer und um Stärkung ihrer jüdischen Identität, sondern ebenso um Jugendarbeit. Die neue Synagoge ist da ein wichtiger Baustein.