Bornplatz in Hamburg

Synagoge ist machbar

Der Wiederaufbau der Hamburger Bornplatzsynagoge rückt einen Schritt näher. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg und der Senat haben am Dienstag die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Wiedererrichtung des Gotteshauses der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie die Senatskanzlei mitteilte, untersucht die Studie unterschiedlichen Varianten die Möglichkeiten des Wiederaufbaus, beleuchtet umfassend die vielfältigen Facetten des Projekts und enthält einen anschaulichen Masterplan, der die Machbarkeit des Vorhabens belegt. Die Studie ist auf der Internetseite der jüdischen Gemeinde in Hamburg veröffentlicht.

WETTBEWERB Über die genaue Gestalt soll nun ein Architekturwettbewerb entscheiden, der nach Ansicht von Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höring im kommenden Jahr abgeschlossen sein könnte. Erst dann könnten Kosten und ein weiterer Zeitplan festlegt werden.

Die Synagoge soll laut Studie Platz für rund 600 Personen bieten. Vor ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten fasste sie 1400 Menschen. Durch die Verkleinerung der orthodoxen Synagoge könnten weitere Räumlichkeiten auf dem Areal verortet werden, erklärte der mit der Studie beauftragte Architekt Wolfgang Lorch. Dazu zählten etwa ein Gemeindesaal sowie ein Ausstellungsort, eine weitere Synagoge für die Reformgemeinde und das jüdische Tauchbad, die Mikwe. Als »sensationell« bezeichnete der Erste Vorsitzende der Hamburger Jüdischen Gemeinde, Philipp Stricharz, die Ergebnisse.

Nicht vereinbar mit dem Wiederaufbau sei ein ehemaliger, von den Nazis errichteter Hochbunker, so Lorch. Dieser steht zwar unter Denkmalschutz, doch ist der Abriss laut dem Architekten vermutlich »nur noch Formsache«. In den vergangenen Monaten hatte auch die ungewisse Zukunft für das 1988 geschaffenes Bodenmosaik, das an das frühere Gotteshaus erinnert, für Diskussionen gesorgt. Dessen Integrierung in den Wiederaufbau sei Aufgabe des Architekturwettbewerbs.

BESCHLUSS Als Reaktion auf den Anschlag von Halle hatte die Hamburgische Bürgerschaft im Februar 2020 überraschend den Wiederaufbau der alten Synagoge beschlossen. Für die Machbarkeitsstudie hatte der Bundestag 600.000 Euro zur Verfügung gestellt. Im Oktober vergangenen Jahres war sie an das Frankfurter Architekturbüro Wandel Lorch Götze Wach vergeben worden, das auch den Bau des neuen Jüdischen Zentrums in München betreut hat.

GESCHICHTE Die 1906 eröffnete Synagoge am Bornplatz, dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz, war das größte jüdische Gotteshaus Norddeutschlands. Im Zuge der November-Pogrome von 1938 wurde der neoromanische Kuppelbau von den Nazis verwüstet und später abgerissen.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte am Dienstag: »Die Jüdische Gemeinde Hamburg kann auf eine lange jüdische Geschichte in der Hansestadt zurückblicken. Die Bornplatzsynagoge war ein bedeutsamer und sichtbarer Bestandteil jüdischen Lebens in Hamburg. Ihre Zerstörung durch die Nationalsozialisten hat eine große Lücke in der Stadt hinterlassen. Ich freue mich, dass es gemäß der heute vorgestellten Machbarkeitsstudie möglich erscheint, den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge zu realisieren.«

Philipp Stricharz unterstrich: »Auf die Ernsthaftigkeit und Ausdauer, aber auch auf den offenen und kritischen Austausch von Argumenten in einer Vielzahl oft langwieriger Verhandlungen kann Hamburg bereits jetzt stolz sein. Zu diesem Prozess gehört nicht zuletzt die sorgfältige Auswahl der Studienersteller aufgrund eines zugrundeliegenden Beschlusses des Bundestages und in einem mit dem Bundesinnenministerium abgestimmten Verfahren.«

Die Bornplatzsynagoge, so Stricharz weiter,« war seit ihrer Errichtung immer, vor ihrer Zerstörung und Enteignung und gerade auch danach, das zentrale Bauwerk in den Herzen der Hamburger Juden. Sie blieb ein Symbol dafür, ob die Werte und Traditionen des jüdischen Glaubens in Hamburg stolz gelebte Gegenwart sind oder nur ein Schatten aus der Vergangenheit, durch die Verbrechen an den Hamburger Juden für immer zur Randerscheinung verdammt.«

SIGNAL Dass die Hamburger Politik sich 2020 so geschlossen hinter die Hamburger Juden und deren Wunsch nach einem Wiederaufbau des zentralen Orts ihrer Begegnung gestellt habe, war für Hamburgs jüdische Familien, so der Erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, »ein bewegendes und willkommenes Signal. Umso überwältigender war die Unterstützung, welche die Initiative zum Wiederaufbau zusätzlich aus der Mitte der Hamburger Gesellschaft und weit darüber hinaus erhielt«.

Die Studie zeige nun, »dass jetzt die Zeit für den Wiederaufbau gekommen ist. Städtebauliche, gedenkpolitische, denkmalschützerische, grundstücksrechtliche, finanzielle und viele weitere Fragestellungen sowie die gewünschte Offenheit und Einbindung in den Bezirk wurden intensiv untersucht. Die Antworten verdichteten sich zu dem Konzept, das die Studie vorstellt. Alle an der Erstellung Beteiligten sind sich einig: So ist es machbar«, resümierte Stricharz. ja/kna

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Buchvorstellung

Parallelen zum BDS-Boykott von heute

Andreas E. Mach untersuchte die Geschichte jüdischer Familienunternehmer in München

von Luis Gruhler  10.03.2025

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung und eine Spendenkampagne für Familien israelischer Soldaten

von Christine Schmitt  10.03.2025

Antisemitismus

Rabbiner Pinchas Goldschmidt zu Vorfall in München: »Abschieben! Noch heute!«

Drei junge Syrer randalierten am Samstag vor dem jüdischen Gemeindezentrum - in ersten Reaktionen forderten Rabbiner harte Konsequenzen

 10.03.2025

München

Hilfe von »Ruth«

Der Jüdische Frauenverein ermöglicht Bedürftigen ein Leben in Würde

von Luis Gruhler  09.03.2025

Berlin

Des Nougats Kern

Yahel Michaeli lädt in ihrer Patisserie zu Kursen ein, in denen sie die Kunst der Schokoladen- und Pralinenherstellung lehrt. Ein Besuch zwischen Mousse und Callets

von Alicia Rust  09.03.2025

Dialog

Buber-Rosenzweig-Medaille wird am Sonntag in Hamburg verliehen

In diesem Jahr geht die Medaille an das Ehepaar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema. An der Auszeichnung gab es im Vorfeld scharfe Kritik aus der jüdischen Gemeinschaft

 09.03.2025

Porträt der Woche

Die DNA verändern

Esther Deppe aus Bielefeld studiert Chemie und möchte in der Genforschung arbeiten

von Gerhard Haase-Hindenberg  08.03.2025