Die Stadt Dessau in Sachsen-Anhalt war vor 300 Jahren ein bedeutendes jüdisches Zentrum in deutschen Landen. Berühmte Juden wie der Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) und der Komponist Kurt Weill (1900-1950) waren Söhne der Stadt an der Mulde.
Weills Vater Albert hatte eine Stelle als Kantor an der Dessauer Synagoge inne. Letztere galt bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten im November 1938 als eines der bedeutendsten jüdischen Gotteshäuser in Mitteldeutschland.
In DDR-Zeiten gab es kein jüdisches Leben in der Stadt. Erst 1994 wurde die Gemeinde neugegründet. Aktuell hat sie rund 260 Mitglieder. Auch dank des Engagements der Gemeindeführung um den amtierenden Vorsitzenden Alexander Wassermann wurde vor einigen Jahren das Projekt eines Neubaus der »Schul« angeschoben.
FÖRDERUNG Der Offenbacher Architekt Alfred Jacoby bekam den Zuschlag für seinen Entwurf. 2019 wurde dann der Grundstein gelegt für den Bau eines neuen Gotteshauses. Knapp 1,9 Millionen Euro soll das Gebäude kosten, der überwiegende Teil kommt aus Fördermitteln des Bundes sowie des Landes Sachsen-Anhalt. Der Rohbau der künftigen Kurt-Weill-Synagoge ist mittlerweile fertiggestellt, und am Montag kam nun Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in die Stadt, um gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Richtfest zu feiern.
Das neue Gotteshaus sei »Symbol eines Neuanfangs«, betonte Haseloff dort. Er bezeichnete es als »bewegenden Moment, wenn wir hier, an dem Ort, an dem am 9. November 1938 die alte Synagoge dem Pogrom zum Opfer fiel, endlich wieder Richtfest feiern können.« Zwar würde der Neubau die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Er lasse aber »deutlich werden, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Das Bekenntnis zu unserer Geschichte und zu der, aus ihr erwachsenden Pflicht zur Menschlichkeit haben dieses Haus möglich werden lassen«, so Haseloff weiter.
GESELLSCHAFT Nicht nur die Dessauer jüdische Gemeinschaft, sondern die ganze Stadt und das Land bräuchten solche »architektonischen Zeichen«. Die Tora sei »ein wichtiger Fundamentstein unserer gemeinsamen Kultur und unserer Glaubenswelten«, erklärte der CDU-Politiker. Der »späte Akt des Wiederaufbaus« sei ungemein wichtig, so Haseloff, denn: »Jüdisches Leben, jüdischer Gottesdienst und jüdische Kultur gehören zu dieser Stadt und in unser Land. Der Davidstern gehört zu unserer gemeinsamen Identität.«
Das sehen wohl auch viele Dessauer so. Es habe bislang überwiegend positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung gegeben, sagte der Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, Aron Russ, der Jüdischen Allgemeinen.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, dankte in seiner Ansprache ausdrücklich der »Gründungsgeneration der Gemeinde zu Dessau«. Lehrer weiter: »Jüdisches Leben in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Ohne den Mut der Zuwanderer, sich hier eine neue Existenz aufzubauen, wäre sie nicht denkbar.« In Dessau ließen sich in den 1990er-Jahren zahlreiche Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nieder.
Trotz eines wachsenden Antisemitismus wolle man, so Lehrer weiter, an diesem Tag eine positive Botschaft aussenden. Man sage »Ja« zu einer weltoffenen, demokratischen Gesellschaft, zur Religionsfreiheit und kulturellen Vielfalt und »zu jüdischem Leben in der Mitte unserer Gesellschaft – denn dorthin gehört es!«
Alexander Wassermann war ebenso hoch erfreut. »Das ist ein wichtiger Tag für uns, unser Leben, unser Land. Wir haben lange darauf gewartet«, so der Gemeindevorsitzende beim Richtfest.